Brexit entfacht Streit um europäische Agrarpolitik

12. Okt 17

Die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) beansprucht einen Löwenanteil der Gelder in der Europäischen Union - mit 40 Prozent ist sie der größte Posten des EU-Etats. Mit dem Brexit entsteht eine Finanzierungslücke von zehn bis zwölf Milliarden Euro, die sich auf das gesamte Budget auswirken wird. Schon im Juni kündigte die EU-Kommission an, dass die GAP ein möglicher Ansatzpunkt für Einsparungen werden könnte.

Kritiker der GAP meinen, dass diese Reform längst überfällig sei. Landwirtschaftliche Betriebe in der EU seien unverhältnismäßig hoch subventioniert. Einerseits sei die europäische Landwirtschaft auch ohne diese gigantischen Fördersummen durchaus wettbewerbsfähig, anderseits verschärft das gängige System der Direktzahlungen Ungleichheiten zwischen den Bauern und Bäuerinnen. Diese Zahlungen, die 70 Prozent des Fördervolumens ausmachen, sind an die bewirtschaftete Fläche gekoppelt. Damit würden vor allem sowieso schon große, rentable Betriebe von den Subventionen profitieren.

Auch eine neue Studie des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung bestätigt diesen Befund. Laut deren Berechnungen gehen 55 Prozent der Direktzahlungen an jene zehn Prozent der Landwirtschaftsbetriebe mit dem höchsten Einkommen, wohingegen die unteren 80 Prozent insgesamt nur ein Viertel der Zahlungen erhalten.

Während kritische Stimmen also für eine rasche Reform der GAP plädieren, hält die Europäische Volkspartei (EVP) am jetzigen System fest. In einem Positionspapier von vergangener Woche fordert sie eine Verschiebung der für 2020 geplanten Reform der GAP um vier Jahre. Grund sei die unklare Situation über die zukünftige Beteiligung von Großbritannien am europäischen Markt.

Außerdem beklagt die EVP, dass LandwirtInnen heute zu den ersten Opfern des Klimawandels zählen und dementsprechend finanzielle Mittel für Anpassungsmaßnahmen benötigen würden.

Zeitgleich belegt eine neue Studie der Europäischen Umweltagentur(EEA) den negativen Einfluss der Landwirtschaft auf die Luftqualität. Faustine Bas-Defossez, zuständig für Landwirtschaft und Bioenergie im europäischen Umweltbüro (EEB) resümiert: "Der heute erschienene Bericht bestätigt, dass unser jetziges Ernährungs- und Landwirtschaftssystem nicht in Einklang mit Umwelt und Gesundheit steht. Wir brauchen mutige Vorschläge der Kommission über die Zukunft der gemeinsamen europäischen Agrarpolitik, hin zu einer ehrlich, nachhaltigen Landwirtschaftspolitik - einer, die uns saubere Luft zum Atmen verschafft, die die natürliche Tier- und Pflanzenwelt, LandwirtInnen und Nutztiere schützt und uns mit gesundem Essen heute und morgen versorgt."

Während die Brexit-Verhandlungen also erneut Diskussionen über den Stellenwert der GAP innerhalb der EU entfachen, betreffen die Folgen davon nicht nur die verbleibenden europäischen LandwirtInnen, sondern auch die britischen. In einem für die dortigen LandwirtInnen wenig günstigen Austritts-Szenario, wären diese nicht nur von sinkenden Subventionen betroffen, sondern im Falle eines Ausstiegs aus dem europäischen Binnenmarkt und einer weiteren Liberalisierung des Agrarmarktes auch der Konkurrenz globaler AgrarexporteurInnen ungeschützt ausgesetzt.

 

Nach dem Brexit: Wie weiter in der britischen (und der europäischen) Landwirtschaft?

EVP will keine „überhastete“ GAP-Reform

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Der Agrar-Wahnsinn