Mehrjähriger Finanzrahmen (MFR)

Hintergrund

In den 1980er-Jahren führten finanzielle Spannungen innerhalb der EU zu einem erhöhten Konfliktpotenzial zwischen den Institutionen. Um diesen Problemen zu begegnen, wurde 1988 erstmals eine mehrjährige Finanzielle Vorausschau (MFR) eingeführt, die eine langfristige Haushaltsplanung ermöglichen und die Haushaltsdisziplin verbessern sollte. In mehreren aufeinanderfolgenden Vereinbarungen – darunter das Delors-Paket I (1988–1992), Delors-Paket II (1993–1999) und die Agenda 2000 (2000–2006) – wurden jeweils konkrete Mittelzuweisungen festgelegt, etwa für die Strukturfonds oder die EU-Erweiterung.

Mit dem Vertrag von Lissabon änderte sich der rechtliche Rahmen: Der MFR wurde nicht mehr durch interinstitutionelle Vereinbarungen, sondern durch eine Ratsverordnung im besonderen Gesetzgebungsverfahren mit Zustimmung des Europäischen Parlaments beschlossen. Der MFR legt seither nicht nur Obergrenzen für Verpflichtungen und Zahlungen fest, sondern enthält auch weitere Regelungen, die einen reibungslosen Ablauf des jährlichen Haushaltsverfahrens gewährleisten sollen.

Der fünfte MFR (2014–2020) war der erste mit realem Rückgang der Haushaltsmittel. Auf Drängen des Parlaments wurde eine Halbzeitbewertung eingeführt, um flexibel auf neue Entwicklungen reagieren zu können. Eine größere Flexibilität wurde zudem durch die Aufstockung bestimmter Instrumente wie der Soforthilfereserve erreicht, um Mittel einfacher zwischen Rubriken und Jahren umzuschichten. Der überarbeitete MFR von 2017 berücksichtigte unter anderem neue Prioritäten wie Migration, Beschäftigung und Wachstum.


Der mehrjährige Finanzrahmen 2021 - 2027

Die Europäische Kommission legte im Mai 2018 ihren Vorschlag für den Mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) 2021–2027 vor, mit einem Volumen von 1.134,6 Mrd. EUR (1,11 % des BNE der EU-27). Der Fokus lag auf verstärkten Mitteln für Grenzmanagement, Migration, Sicherheit, Verteidigung und Forschung, während Kürzungen bei Agrar- und Kohäsionspolitik vorgeschlagen wurden. Das Europäische Parlament forderte hingegen eine Erhöhung der MFR-Obergrenze auf 1.324 Mrd. EUR (1,3 % des BNE), den Erhalt der Mittel für Agrar- und Kohäsionspolitik sowie zusätzliche Programme wie eine Kinder-Garantie und einen Fonds für faire Energiewende. Zudem sollte der Klimaschutz mit mindestens 25 % (bis 2027: 30 %) aller Ausgaben stärker berücksichtigt werden.

Die Verhandlungen zwischen Parlament und Rat gestalteten sich schwierig. Der Rat schlug einen MFR von lediglich 1.087 Mrd. EUR vor, was zu deutlicher Kritik des Parlaments führte. Nach der Europawahl erneuerte das Parlament sein Mandat und forderte einen MFR-Notfallplan. Zeitgleich wurde ein Fonds für einen gerechten Übergang als Teil des Grünen Deals vorgeschlagen. Mit Ausbruch der COVID-19-Pandemie legte die Kommission im Mai 2020 ein zusätzliches Aufbauinstrument „NextGenerationEU“ (NGEU) mit 750 Mrd. EUR vor, finanziert durch Anleihen, ergänzt durch einen überarbeiteten MFR-Vorschlag in Höhe von 1.100 Mrd. EUR.

Der Europäische Rat beschloss im Juli 2020 das NGEU-Paket, wobei der Zuschussanteil auf 390 Mrd. EUR gesenkt und der Darlehensanteil auf 360 Mrd. EUR erhöht wurde. Die MFR-Gesamtsumme wurde auf 1.074,3 Mrd. EUR festgelegt. Zudem wurde eine Konditionalitätsregelung eingeführt, um die Einhaltung der Rechtsstaatlichkeit zu sichern, sowie neue Eigenmittelquellen – etwa eine Abgabe auf nicht recycelten Plastikmüll – beschlossen. Das Parlament kritisierte Kürzungen bei zukunftsgerichteten Programmen und forderte mehr Mitspracherechte beim NGEU sowie eine Reform des Eigenmittelsystems.

Nach intensiven trilateralen Verhandlungen wurde die MFR-Verordnung am 17. Dezember 2020 verabschiedet. Der neue Rechtsstaatsmechanismus trat am 1. Januar 2021 in Kraft, und bis Mai 2021 hatten alle Mitgliedstaaten den Eigenmittelbeschluss ratifiziert. Damit konnte die EU erstmals gemeinsame Schuldtitel am Kapitalmarkt aufnehmen, um das Aufbauinstrument NGEU zu finanzieren – ein historischer Schritt in der Entwicklung der EU-Haushaltspolitik.

Quelle: Europäisches Parlament MFR