Allianz für Kulturpflanzen-Vielfalt: Übergabe von wertvollem Saatgut an EU-Abgeordneten in Brüssel
Bei der Demonstration wurden den EU-Abgeordneten – darunter Herbert Dorfmann von der Europäischen Volkspartei, Berichterstatter des Parlaments zum Saatgutrecht, und Martin Häusling und Sarah Wiener von den Europäischen Grüne – Päckchen mit verschiedenen Saatgutsorten überreicht. „Die enorme genetische Vielfalt unserer Kulturpflanzen, die uns von früheren Generationen überliefert wurde, stellt ein enormes Potenzial dar, um sowohl die schädlichen Emissionen und Umweltauswirkungen unserer derzeitigen Lebensmittelproduktion zu verringern als auch sich an extremere Wetterbedingungen und neue Schädlinge und Krankheiten anzupassen. Die neue Verordnung muss diese Vielfalt fördern und darf sie nicht bestrafen", erklärt Prieler von ARCHE NOAH. Jede übergebene Sorte steht für eine Forderung der demonstrierenden Organisationen:
- Nicht registrierte Sorten: Tausende ältere Gemüse-, Getreide-, Kartoffel- und Obstsorten werden in Europa nicht offiziell vermarktet. Sie werden von Genbanken, Saatgut-Netzwerken, Gärtner:innen und Bäuer:innen erhalten. Diese fordern, die Weitergabe von Saatgut zum Zweck seiner Erhaltung von belastenden Vermarktungsvorschriften auszunehmen, die letztlich diesen Schatz für künftige Generationen gefährden könnten. Das EU-Parlament muss die Beschränkungen des Rechts der Landwirt:innen auf Tausch und Verkauf ihres Saatguts aufheben. Solche Einschränkungen stehen im Widerspruch zum bäuerlichen Recht auf Saatgut, sie erhöhen unsere Abhängigkeit von Saatgut-Konzernen und untergraben die Versorgung mit lokalem Saatgut.
- Erhaltungszüchtungen: Langwierige und kostspielige Verfahren für die Registrierung neuer Sorten verhindern die Verbreitung von Saatgut, das für die Verwendung außerhalb der industriellen Landwirtschaft bestimmt ist. Betroffen sind traditionelle Landsorten oder Sorten, die für alternative Anbausysteme wie Mischkulturen entwickelt wurden. Der Vorschlag sieht weniger strenge Regeln für solche Sorten vor. Das Europäische Parlament muss sicherstellen, dass lokale Saatgut-Produzent:innen diese Möglichkeiten auch tatsächlich nutzen können. Sie müssen von schwerfälligen administrativen Anforderungen befreit werden, die für internationale Saatgutunternehmen entwickelt wurden.
- Ökologische Sorten und ökologisch heterogenes Material (OHM): Der Kommissions-Vorschlag stellt die erst 2022 in Kraft getretenen Vorschriften für die Erzeugung und Vermarktung von „ökologischen Sorten und ökologischem heterogenem Material“ in Frage. Saatgut-Erhalter:innen, Gärtner:innen und Landwirt:innen fordern das Parlament auf, die Möglichkeit zu bewahren, Saatgut mit einer im Vergleich zu industriellen Sorten höheren genetischen Vielfalt zu vermarkten, in die viele ökologische Züchter:innen in Europa bereits erheblich investiert haben. Diese Sorten können eine hohe Pufferkapazität gegen Stressfaktoren und stabilere Erträge insbesondere in ungünstigen Anbaugebieten bieten.
Bis heute hat die europäische Petition „Hoch die Gabeln – für die Vielfalt!“ (www.hochdiegabeln.at) knapp 75.000 Unterschriften gesammelt, Hunderte von Saatgut-Päckchen wurden als Protest gegen das neue Saatgutrecht an die EU-Abgeordneten geschickt.
Die Kundgebung am Mittwoch in Brüssel kommt zu einem entscheidenden Zeitpunkt in den Verhandlungen über das neue Saatgutgesetz. Die Abgeordneten im Landwirtschafts- und Umweltausschuss haben über 1.000 Änderungsanträge eingereicht. Die entscheidenden Abstimmungen sind für den 11. März (Umweltausschuss) und 19. März 2024 (Landwirtschaftsausschuss) vorgesehen, bevor das Parlaments-Plenum voraussichtlich im April über den Vorschlag entscheiden wird.