ARCHE NOAH warnt vor Verbot von vielfältigem, regionalem Saatgut

Am Sonntag, 27. März endete die EU-weite öffentliche Konsultation für ein neues europäisches Saatgutrecht. Die Europäische Kommission will nach der Analyse der Rückmeldungen im Dezember einen Gesetzesentwurf vorlegen, der in der Folge von EU-Rat und EU-Parlament diskutiert wird. Das aus den 1960er-Jahren stammende EU-Saatgutrecht regelt die Erzeugung, Weitergabe und den Verkauf von Saatgut. Die aktuelle Reform-Debatte zum europäischen Saatgutrecht wird darüber entscheiden, ob zukünftig das nötige Saatgut für eine Transformation der Landwirtschaft verfügbar sein wird.

„Nachhaltige Ernährungssicherheit braucht eine nachhaltige Landwirtschaft. Ein modernes Saatgutrecht muss den Kampf gegen Klimakrise und Vielfaltsverlust unterstützen“, betont Dagmar Urban, Leiterin des Bereichs Politik bei ARCHE NOAH, Verein für den Erhalt, die Verbreitung und die Entwicklung vom Aussterben bedrohter Kulturpflanzensorten. „Nur ein Saatgutrecht, das die Vielfalt fördert, hilft uns, besser mit Wetterextremen zurechtzukommen, umweltfreundlicher zu wirtschaften und gesünder zu essen.“

Derzeit seien die Regeln für standardisiertes Industrie-Saatgut „maßgeschneidert – ganz im Sinne der marktdominierenden Agrarchemie-Konzerne“, kritisiert ARCHE NOAH. Lokales, anpassungsfähiges Saatgut werde „in kleine Nischen gesperrt – mit bürokratischen Hürden sowie Beschränkungen auf kleine Mengen, winzige Packungsgrößen und Ursprungsregionen“.

Seit 1990 gingen 75 Prozent der pflanzengenetischen Ressourcen verloren

Seit 1990 sind nach Angaben der Welternährungsorganisation FAO bereits 75 Prozent der pflanzengenetischen Ressourcen verloren gegangen. „Das Saatgutrecht ist mitverantwortlich für einen enormen Verlust biologischer Vielfalt und lässt Bäuerinnen bei der Anpassung an die Klimakrise im Stich“, betont Dagmar Urban. 

ARCHE NOAH fordert nun die Europäische Kommission auf, sich in der Saatgutrechts-Reform um das Wohl der Bürger:innen zu kümmern, anstatt um die Einzelinteressen der Agrar-Industrie. Im schlimmsten Fall werde vieles zerstört: Eine der drei von der EU-Kommission präsentierten Reform-Optionen ignoriere sogar das Recht auf einen freien Tausch von Saatgut. Überdies sieht diese Option den Verbot des Verkaufs von vielfältigem, regionalem Saatgut. „Für ARCHE NOAH würde das bedeuten, dass wir von 206 Pflanzensorten, die wir derzeit zum Verkauf anbieten, nur mehr sechs weitergeben dürften“, erklärt Dagmar Urban die konkreten Auswirkungen.

Neben dieser „extrem rückwärtsgewandten“ Option gebe es zumindest eine Option, welche teilweise Potential für eine positivere Entwicklung zeigt. Die soeben beendete öffentliche Konsultation ist Teil einer Folgenabschätzung, um die Reform-Optionen auf ihre Auswirkungen zu untersuchen.

Dem Völkerrecht besteht jedoch seit 2018 ausdrücklich ein Recht darauf, eigenes Saatgut zu verwenden, auszutauschen und zu verkaufen, wie ARCHE NOAH betont.

Anstatt der sehr zögerlichen Ansätze brauche es nach Ansicht von ARCHE NOAH eine mutige und wirkungsvolle Vielfalts-Option, die den Grundstein für eine widerstandsfähige Landwirtschaft sowie eine vielfältige und gesunde Ernährung legt. „Landwirtschaft darf nicht auf Industrie-Saatgut und Monokulturen beschränkt werden. Wir wollen nicht mehr von ressourcenintensiven, giftigen Pestiziden und Düngemitteln abhängig sein. Nachhaltige Alternativen wie Pflanzenzüchtung für lokal angepasstes Bio-Saatgut müssen gefördert werden, anstatt diese durch das Saatgutrecht künstlich kleinzuhalten“, sagt Urban. Es ist höchste Zeit, die Vielfalt aus ihren bürokratischen Fesseln zu befreien. „Wir fordern ein Ende der Überregulierung von Erhaltungsarbeit und Hobbygärten, gleichberechtigten Marktzugang für vielfältiges und regional angepasstes Saatgut sowie ein garantiertes Recht, Saatgut zu erhalten, zu tauschen und zu verkaufen“, so Urban. 

 

ARCHE NOAH: EU-Saatgutrechts-Reform - Zeit für Vielfalt statt Industrie-Zwang

EU-Kommission: Pflanzliches und forstliches Vermehrungsgut (überarbeitete Vorschriften)