Bereits 60 Prozent der Flüsse trocknen zeitweise aus

Ein internationales Forscher*innen-Team mit dem Gewässerökologen und Generaldirektor der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung, Klement Tockner, hat erstmals sämtliche Flüsse weltweit erfasst und quantifiziert, die zeitweise austrocknen. Die Erfassung zeigt, dass 60 Prozent der globalen Fließgewässer – über alle Kontinente und klimatische Zonen hinweg – an mindestens einem Tag im Jahr trockenfallen. Zudem zeigt die Studie, dass über die Hälfte der Weltbevölkerung in der Nähe dieser zeitweise trockenfallenden Flüsse lebt – auch hier ist die Tendenz steigend. Publiziert wurde die unter Leitung von Mathis Messager von der McGill Universität im kanadischen Montreal entstandene Untersuchung am 21. Juni 2021 im renommierten Fachjournal „Nature“.

Mittels hydrologischer, klimatischer, bodenkundlicher und geologischer Daten von 5615 Messstationen konnten die Forscher*innen zeigen, dass trockenfallende Flüsse auf allen Kontinenten und in allen Klimazonen vorkommen. Laut den Expert*innen werden zukünftig nicht nur die Hochwässer zunehmen, sondern - angesichts des globalen Klimawandels, der intensiven Landnutzung und des Ressourcenverbrauchs - insbesondere auch die Austrocknung der Gewässer.

„Das hat weitreichende Konsequenzen für die Erforschung und den Schutz von Fließgewässern“, warnt Tockner. „Um die zukünftigen Auswirkungen des Klima- und Landschaftswandels auf diese Ökosysteme und ihre Arten verstehen zu können, müssen wir das Trockenfallen der Flüsse als einen zentralen Parameter berücksichtigen.“

Hohe Austrocknungsrate auch in gemäßigten Zonen

Darüber hinaus zeigt die Studie, dass der nächstgelegene Bach oder Fluss für 52 Prozent der Weltbevölkerung nicht durchgängig wasserführend ist. In besonders trockenen Gebieten der Erde, wie in Indien, Westaustralien oder der afrikanischen Sahelzone, sind es laut der Modellierungen sogar 99 Prozent der Fließgewässer, die an mindestens einem Tag im Jahr austrocknen. „Aber auch in den kühlgemäßigten und feuchten Klimazonen trocknen fast 30 Prozent der Fließgewässer immer wieder aus. Unter Berücksichtigung kleiner Bäche sind es dort sogar mehr als die Hälfte der Wasserläufe. Mit anderen Worten: Flüsse, die – zumindest temporär – trockenfallen, sind eher die Regel als die Ausnahme auf der Erde“, sagt Tockner.

Regionale Beispiele für dieses Phänomen sind der Urselbach, ein etwa 16 Kilometer langes Gewässer, das im Vordertaunus entspringt und durch Frankfurt führt, sowie die Weil, ein Zufluss der Lahn, welche im vergangenen Sommer trockenfielen. „Natürlich trockenfallende Gewässer sind wertvolle und einzigartige Lebensräume, aber trocknet ein permanent wasserführender Bach oder Fluss aus, dann hat das massive Auswirkungen auf die Natur und schlussendlich den Menschen“, so Tockner.

Tockner zeigt sich zuversichtlich, dass die neuen Ergebnisse helfen werden, die Flüsse nachhaltiger zu bewirtschaften und damit auch die Menschen, die für ihren Lebensunterhalt und ihre Kultur direkt auf diese Ökosysteme angewiesen sind, zu schützen. „Wir können nun zeigen, wo und dass Fließgewässer nicht immer fließen; in einem nächsten Schritt möchten wir untersuchen, wann und wie lange diese Trockenzeiten heute und in Zukunft auftreten, und was bedeutet es für Natur und Mensch“, erklärt Tockner.

„Aktuell konzentriert sich die Forschung und die daraus folgenden Schutzmaßnahmen überwiegend auf Gewässer, die permanent Wasser führen“, ergänzt Tockner. „Doch sogar große, charismatische Flüsse, wie beispielsweise der Nil, der Gelbe Fluss in China oder der nordamerikanische Rio Grande, fallen bereits vollständig trocken. Dies kann zu einem erschwerten Wasserzugang für Millionen von Menschen führen und hat tiefgreifende Auswirkungen auf das Ökosystem Fluss.“

Ökonews: 60 Prozent der Flüsse weltweit fallen zeitweise trocken – Tendenz steigend