Biodiversitätsverlust: Viele Studierende im Umweltbereich kennen Ursachen nicht so genau

Zusammen mit anderen Frankfurter Forschern hat Kleespies eine Online-Umfrage bei rund 4400 Studenten der Umweltwissenschaften in 37 Ländern durchgeführt. In einem Online-Fragebogen waren acht Ursachen für den globalen Biodiversitätsverlust aufgelistet. Darunter die fünf tatsächlichen Hauptgründe: Klimawandel, Übernutzung, Lebensraumverlust, Verdrängung durch invasive Arten und schließlich Verschmutzung. Zusätzlich waren drei Faktoren aufgeführt, die keinen oder kaum Einfluss auf die Artenvielfalt haben: Elektrosmog, Fabrik- und Fahrzeuglärm sowie das Internet.

Die Umweltstudierenden sollten angeben, in welchem Maß die acht Faktoren ihrer Meinung nach für den Rückgang der Biodiversität verantwortlich sind. Die Skala reichte von 1 (geringer Einfluss) bis 5 (sehr starker Einfluss). Die ausgefüllten Fragebögen wurden mittels einer speziellen Methode analysiert, die Muster in Daten erkennt. Am Ende bildeten sich so insgesamt acht unterschiedliche Cluster mit Anhäufungen bestimmter, gut voneinander unterscheidbarer Antworttypen heraus. Kleespies erläutert: „Bei Antworttyp 1 zum Beispiel werden alle Hauptursachen erkannt, mit Ausnahme des Klimawandels. Dessen Einfluss auf den Rückgang der biologischen Vielfalt unterschätzen die Studenten.“ Bei Typ 2 wiederum spielt die Verschmutzung eine untergeordnete Rolle, bei Typ 7 der Faktor invasive Arten. Eine Sonderform stellt Typ 3 dar, bei der alle Hauptursachen unterschätzt und diese zudem von den irrelevanten Faktoren wie Lärm gar nicht unterschieden werden. „Zum Glück gab es von diesem Antworttypen vergleichsweise wenige“, sagt Kleespies. Insgesamt kommen die acht Antworttypen in den befragten Ländern in unterschiedlicher Häufigkeit vor.

Im nächsten Auswertungsschritt ging es um die Hintergründe der Antworten: Was bedingt die unterschiedlichen Antworttypen? Dafür bezogen die Forschenden länderspezifische Indikatoren ein: den CO2-Ausstoß des Landes sowie Indikatoren für Wohlstand, Umwelt und Biodiversität. Kleespies: „Wir stellten fest, dass diese Indikatoren die Wahrnehmung der Studenten im jeweiligen Land erheblich beeinflussen.“ Beim Antworttyp 1 zum Beispiel, der den Klimawandel als Treiber unterschätzt. In Ländern mit sehr hohem CO2-Ausstoß – etwa Russland, China, Saudi-Arabien – kommt Typ 1 deutlich häufiger vor. „Warum das so ist, lässt sich mit unseren Daten zwar nicht erklären. Aber wir vermuten, dass die Umweltstudenten in diesen Ländern nicht so sensibilisiert sind. Es fehlt im Studium an Aufklärung darüber, dass auch der Klimawandel den Verlust der Artenvielfalt verstärkt.“ Zudem gehe es ja um den Anteil des eigenen Landes am Klimawandel. Dass der groß sei, werde eventuell nicht so gerne zugegeben. Bei Antworttyp 2 – Verschmutzung als unterschätzter Faktor – ist ebenso ein Zusammenhang zwischen Bewertung und ländertypischen Indikatoren erkennbar, aber in anderer Form. In wohlhabenden Ländern mit gesünderen Ökosystemen – zum Beispiel Australien, Schweden und Deutschland – unterschätzen die Studierenden den Faktor Verschmutzung häufiger. Vermutlich werde Verschmutzung in diesen Ländern allgemein nicht als Problem wahrgenommen, meint Kleespies, und somit auch nicht als eine der Hauptursachen für den globalen Biodiversitätsverlust. Antworttyp 7 wiederum, der invasiven Arten stark unterschätzt, ist in Länder wie Nigeria und Kenia, in denen invasive Arten weniger häufig sind, eher verbreitet. In Australien und Spanien kommt Typ 7 dagegen nur selten vor - gerade dort stellen invasive Arten ein großes Problem dar.

Erstmalig zeigt die Studie die großen Wahrnehmungslücken der nächsten Generation der Entscheidungsträger im Umweltbereich beim Thema Artenvielfaltverlust und seinen Ursachen. Nun müssen diese Lücken geschlossen werden.


Goetheinstitut Frankfurt/Main: Biodiversitätsverlust - Viele Studierende im Umweltbereich kennen Ursachen nicht so genau