Chancen auf Energiecharta-Reform schwinden

17. Dez 20

Die Unterzeichner des Energiecharta-Vertrags (ECT) werden am heutigen Donnerstag nur eine dürftige Bilanz ziehen können: Dreimal haben sie in diesem Jahr über die klimagerechte Modernisierung des Vertragswerks verhandelt, die die EU anmahnt. Dabei sind sie offenbar nicht allzu weit gekommen. Das zeigt ein Bericht, den die interne „Modernisierungsgruppe“ der Energiecharta-Konferenz 2020 präsentieren will und der Tagesspiegel Background vorliegt.

In einem offenen Brief haben Klimaaktivist*innen und Wissenschaftler*innen ihre Bedenken zum Energiecharta-Vertrag (ECT) geäußert. Die Unterzeichner*innen des ECT haben sich im Vorfeld der Konferenz in Baku zum Energiecharta-Vertrag (ECT) an die Unterzeichner*innen des ECT gewandt. Der Vertrag über die Energiecharta (ECT) sei nach Ansicht der Initiator*innen ein großes Hindernis für diesen Übergang. Es schütze Investitionen in die Energieversorgung, einschließlich Kohlebergwerke, Öl- und Gasförderung, Pipelines, Raffinerien und Kraftwerke. „Fossile Brennstoffe machen 72% der europäischen Energieversorgung aus und müssen dringend eingestellt werden, um eine Klimakatastrophe zu vermeiden. Ein schneller Übergang zu einem fossilfreien Energiesystem ist erforderlich“, fordern die Unterzeichner*innen.

„Der Vertrag über die Energiecharta schützt Investitionen in fossile Energien und behindert damit die Erreichung der nationalen und internationalen Klimaziele. Ich fordere unsere Regierung, insbesondere Bundeskanzler Kurz auf, sich vehement dafür einzusetzen, dass die EU und Österreich von diesem Energiewende-Verhinderungs-Vertrag zurücktreten“, fordert Stefan Moidl, Geschäftsführer der IG Windkraft.

Darüber hinaus ermöglicht es der Vertrag den Energieunternehmen, nahezu jede staatliche Maßnahme in Frage zu stellen, die sich auf den erwarteten Gewinn des Investors auswirkt. Rechtsstreitigkeiten dieser Art werden nicht von nationalen Gerichten beigelegt, sondern in intransparenten privaten Schiedsverfahren. Gegen Regierungen werden Milliarden von Euro (Steuergelder) vergeben. Anleger*innen können sogar eine Entschädigung für erwartete zukünftige Gewinne verlangen und erhalten.

Die Europäische Energiecharta von 1991 - ein rechtlich nicht bindendes politisches Engagement zur Zusammenarbeit zwischen Ost und West im Energiebereich - wurde von 51 Staaten und von den Europäischen Gemeinschaften unterzeichnet.

 

Förderung fossiler Gasinfrastruktur wird nicht konsequent genug ausgeschlossen

Zudem wandten sich Greenpeace, der World Wildlife Fund (WWF), die Entwicklungs- und Umweltorganisation Germanwatch, der Deutsche Naturschutzring (DNR), die Deutsche Umwelthilfe (DUH) sowie der Think Tank E3G in einem gemeinsamen Brief an EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, Umweltkommissar Frans Timmermans sowie die Energiekommissarin Kadri Simson. Die Verordnung zu Transeuropäischen Netzen für Energie (TEN-E) müsse die Subventionierung von neuer, fossiler Gasinfrastruktur umgehend stoppen, lautet die Kernforderung der Unterzeichner*innen. Der aktuelle Regulierungsentwurf sei nicht mit den Zielen des Europäischen Green Deals kompatibel und berge außerdem die Gefahr eines Lock-ins in die fossile Welt.

Gemäß dieser Forderung soll die EU-Kommission die TEN-E-Novellierung so gestalten, dass es ein integriertes, intelligentes und klimaneutrales Energiesystem wird. Darin dürfe Erdgas künftig keine Rolle mehr spielen. Denn der Vertrag über die Energiecharta behindere den Übergang zu sauberer Energie, so die Initiator*innen des offenen Briefes. „Hier gibt es noch eine Vielzahl von Baustellen, bei denen die Gelder der sogenannten Europäischen Projekte gemeinsamen Interesses ("Projects of Common Interest") effektiver im Sinne des Klimaschutzes investiert werden können und müssen“, so Germanwatch.

Im Vorfeld der am Dienstag dieser Woche erwarteten Novellierung der EU-Leitlinien für die Transeuropäischen Netze für Energie (TEN-E) waren die ersten geleakten Dokumente der überarbeiteten TEN-E-Regulierung aufgetaucht. Fossile Gasinfrastruktur wird darin nach Ansicht der Umweltorganisationen nicht konsequent genug von der Förderung ausgeschlossen.

Schon im Juli 2020 hatte sich Germanwatch in einem gemeinsamen Verbändebrief mit den Umwelt-NGOs BUND, DNR, DUH, NABU, WWF sowie E3G an die EU-Kommission gewandt und sich an der öffentlichen EU-Konsultation beteiligt. Germanwatch forderte von der Kommission, die TEN-E Novellierung zu nutzen, um die Weichen für ein klimaneutrales Energiesystem zu stellen. Energieeffizienz und 100 % Erneuerbare Energien müssten zu Eckpfeilern der Energiesystemplanung und Gasinfrastruktur mit einem temporären Moratorium belegt werden.

 

OTS: Energiecharta-Vertrag behindert Green Deal

End Fossil Protection

Germanwatch: Förderung fossiler Gasinfrastruktur wird nicht konsequent genug ausgeschlossen