CIPRA kritisiert Blockade der EU-Wegekostenrichtlinie

26. Nov 20

„Die Belastungen von Mensch und Natur in den engen Alpentälern durch den Transitverkehr sind ein Dauerbrenner der europäischen Verkehrspolitik, nicht nur am Brenner. Er ist der heutige Hotspot von dramatisch steigender Lastwagenflut und Luftverschmutzung, die Bevölkerung geplagt von permanentem Stau und Lärmbelastung, auch durch immer mehr Güterzüge“, beklagt der Alpenschutzverband CIPRA.

Auf Betreiben des deutschen Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer wird während der EU-Ratspräsidentschaft Deutschlands eine Abwrackprämie für LKW eingeführt und gleichzeitig ein neues europäisches LKW-Mautsystem blockiert. Es fehle ein grundsätzliches Umdenken. Stattdessen wird von Deutschland eine ökologisch absurde und alpenfeindliche LKW-Politik forciert. In seiner Politik zum Güterverkehr schade Deutschland damit aktuell gleich zweifach der Umwelt, so CIPRA.

Im Vorjahr waren allein über den Brenner 2,47 Millionen Lkw unterwegs, das waren dreimal so viele wie über alle Schweizer Alpenpässe zusammen, verdeutlicht der Verkehrsclub Östereich (VCÖ). Und während die LKW-Fahrten über den Brenner allein seit dem Jahr 2010 um ein Drittel gestiegen sind, sind die LKW-Fahrten über die Schweiz um rund ein Viertel zurückgegangen.

72% der von einer 2018 alpenquerend transportierten Gütermenge am Brenner von insgesamt 53,8 Millionen Tonnen wurden auf der Straße transportiert. Während die Schweiz dank einer hohen und leistungsabhängig berechneten Schwerverkehrsabgabe (Maut) und dem neu gebauten, längsten Bahntunnel der Welt am Gotthard rückgängige LKW-Zahlen verzeichnet, leiden auch die Alpentäler in Norditalien und Frankreich an den Übergängen Mont Cenis/Fréjus an einer viel zu hohen Straßenverkehrsbelastung. In der Schweiz werden von insgesamt 39,6 Millionen Tonnen (2018) alpenquerenden Gütern nur noch 30% auf der Straße transportiert, in Frankreich von insgesamt 24,7 Millionen Tonnen jedoch 86%. Am östlichen Alpenkamm, zwischen Veneto und Osttirol droht sogar eine weitere Transitautobahn, die A27, auch „Alemagna“ genannt. Je mehr Güter aus China künftig in den norditalienischen Häfen anlanden werden, umso drängender wird diese Problematik.

 

Forderungen der CIPRA: Verkehrsreduktion im Alpentransit

Die nationalen und regionalen CIPRA-Organisationen haben an ihrer Delegiertenversammlung im Oktober 2019 in Altdorf und Ende April 2020 die nachfolgenden Forderungen als Grundlage ihrer Aktivitäten in der Transitverkehrspolitik beschlossen.

Das Verkehrsaufkommen im Alpentransit muss grundsätzlich reduziert, besser gesteuert und auf umweltfreundlichere Transportwege verlagert werden. Konkret wird gefordert:

    •       Auf den Bau neuer hochrangiger Alpentransitstraßen ist zu verzichten.

    •       Das Straßenverkehrsaufkommen auf den Transitstrecken muss reguliert werden.

    •       Im Gütertransit sind für jeden Alpenübergang maximal zulässige Mengen an LKW-Fahrten pro Jahr zu definieren. Ein Handel dieser Kontingente ist zu prüfen (Alpentransitbörse).

    •       Überlastungen von Transitstrecken müssen im Speziellen im Straßentransit durch eine Best-Wege-Strategie vermieden werden.

    •       Nicht notwendige Transporte (z.B. Leerfahrten) sind zu vermeiden.

    •       Die Nationalstaaten sind gefordert, mit entsprechender Infrastruktur (Verladebahnhöfe, Zulaufstrecken, Ausbau bestehender Verbindungen, etc.) ein gesamteuropäisch effizientes Güterverkehrsnetz auf der Schiene zu ermöglichen.

    •       Gefahrengüter sind auf der Schiene zu transportieren.

    •       Der Güterverkehr darf nicht zu einer weiteren Belastung (Schallemissionen) der Bevölkerung führen. Insbesondere in den engen Alpentälern, wo sich durch die Topografie der Schall sehr weit ausbreiten kann, darf im Speziellen bei der Bahn nur modernstes, schallarmes Rollmaterial eingesetzt werden.

    •       Die CO2-Emissionen im ganzen alpinen Transitverkehr (Schiene und Straße) müssen auf null reduziert werden, um im Rahmen der gesamteuropäischen Bemühungen bis 2050 die Klimaneutralität zu erreichen.

    •       Die Einhaltung von EU-Grenzwerten (NOx, Feinstaub, Lärm etc.) auf den Transitstrecken sowie in den Ballungsräumen der Alpen muss unter allen Umständen gewährleistet sein.

    •       Im Perimeter der Alpenkonvention ist die Höchstgeschwindigkeit zu limitieren, auf 100 km/h auf Straßen mit getrennten Richtungsfahrbahnen und mindestens zwei Fahrstreifen je Richtung, ansonsten 80 km/h.

    •       Im Perimeter der Alpenkonvention ist ein generelles LKW-Überholverbot zu erlassen, geltend für LKW auf Straßen mit getrennten Richtungsfahrbahnen und nur zwei Fahrstreifen je Richtung.

 

Klimaziele nur bei drastischer Güterverkehrsreduktion erreichbar

Laut Experten können Österreich und die EU die vereinbarten Klimaziele nur erreichen, wenn der Güterverkehr seine Emissionen drastisch reduziert. 21,7 Milliarden Tonnenkilometer betrug im Vorjahr die Transportleistung der Schiene in Österreich, jene auf der Straße war zweieinhalb Mal so hoch. In der EU ist der LKW-Anteil beim Gütertransport sogar mehr als viermal so hoch wie jener der Bahn.

CIPRA Deutschland ist der Dachverband von Verbänden, Vereinen und fördernden Mitgliedern, die sich für eine nachhaltige Entwicklung des deutschen Alpenraumes einsetzen. Durch die Geschäftsstelle von CIPRA International mit Sitz in Liechtenstein sind Deutschland und die anderen nationalen CIPRA-Organisationen in sieben Alpenländern zu einem alpenweiten Netzwerk verbunden.

 

CIPRA

CIPRA - Brennpunkt Transit

Angaben über die Gütermengen im Alpentransit (Umwelt-, Verkehrs-, Energie- und Kommunikationsministerium der Schweiz, 2019)

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