Deutsche EU-Ratspräsidentschaft: Freihandel und Mercosur auf der Agenda

28. Mai 20

Deutschland wird vom 1. Juli bis zum 31. Dezember 2020 die rotierende Ratspräsidentschaft der EU innehaben, bevor diese an Portugal und dann an Slowenien übergeht. Als Trio haben die drei Länder daher, wie es üblich ist, vorab ein gemeinsames Programm vorbereitet. Gemeinsam wollen die drei Länder „weiter an ehrgeizigen bilateralen Handelsabkommen arbeiten, die Investitionen schützen“.

Demnach sollen laut eines Artikels von Euractiv im Jahr 2021 die Handelsabkommen mit Indonesien, Australien und Neuseeland abgeschlossen werden. Außerdem planen die Regierungen, das Mercosur-Abkommen voranzutreiben, das Abkommen mit Chile zu modernisieren und sogar „die Verhandlungen über einen Vertrag zwischen der EU und Indien wieder aufzunehmen“.

Auch die Handelsbeziehungen mit den Vereinigten Staaten sollen ein wichtiger Punkt im Arbeitsprogramm der drei Staaten sein. Die gegenwärtigen Schwierigkeiten sollen so überwunden werden, um „eine ausgewogene und für beide Seiten vorteilhafte Beziehung zu erreichen“.

Mitgliedstaaten wie Niederlande, Österreich und Frankreich opponieren mit diesen Plänen, besonders hinsichtlich des Mercosur-Abkommens. „Es erschließt sich mir nicht, wie die Bundesregierung das umstrittene Mercosur-Abkommen trotz der Kritik vieler Mitgliedsstaaten und Europaabgeordneten in der Ratspräsidentschaft durchdrücken will,“ sagte Anna Cavazzini, die handelspolitische Sprecherin der Grünen im Europaparlament, im Gespräch mit Euractiv Deutschland. „Stattdessen müsste die Bundesregierung die von Frankreich und den Niederlanden angestoßene Debatte aufnehmen, wie man Klimaschutz und hohe Standards bei Umwelt- und sozialen Themen in Handelsabkommen verankern kann,“ fügte sie hinzu.

Anfang dieses Monats hatten die Wirtschaftsministers Frankreichs und der Niederlande den anderen 25 EU-Mitgliedsstaaten einen gemeinsamen Vorschlag vorgelegt. Darin forderten sie die EU- Kommission auf, Zölle gegen Handelspartner zu erhöhen, die ihre Verpflichtungen zur nachhaltigen Entwicklung nicht erfüllen. „Handelspolitische Instrumente können eine zusätzliche Hebelwirkung auf die Umsetzung internationaler Umwelt- und Arbeitsnormen ausüben“, heißt es in dem Vorschlag.

Der Mercosur-Vertrag mus von allen 27 EU-Mitgliedsstaaten ratifiziert werden, um in Kraft treten zu können. „Ich frage mich, wie Deutschland die Mitgliedsstaaten überzeugen will, die diesem Vertrag skeptisch gegenüberstehen oder ihn klar ablehnen, wie Frankreich oder Österreich“, so die Europaabgeordnete Cavazzini. Dies werde nicht ohne „Druck auf die Kritiker“ oder den Einsatz von Verzögerungstaktiken möglich sein, um die Beteiligten dazu zu bringen, den Vertrag zu akzeptieren.

Berlin möchte Mercosur hingegen bis zum Ende seiner Präsidentschaft ratifizieren. Deutschland habe großes wirtschaftliches Interesse daran, meint Cavazzini. „Die deutsche Regierung ist seit Beginn der Verhandlungen ein starker Befürworter des Mercosur. Dahinter stehen die Automobil-, Chemie- und Pharmabranche, die von diesem Abkommen profitieren würde.“

Das Gegenteil ist der Fall in Frankreich. Nach Angaben des französischen Landwirtschaftsministeriums belief sich die landwirtschaftliche Produktion des Landes 2018 auf stolze 73 Milliarden Euro, also 16,9 Prozent des europäischen Marktes. Zum Vergleich: Deutschlands Landwirtschaft produzierte Waren im Wert von 56 Milliarden Euro.

 Es steht also viel auf dem Spiel für Frankreich, das sich selbst als Europas führende Agrarmacht sieht.

 

Euractiv: Freihandel und Mercosur auf der Agenda der deutschen EU-Ratspräsidentschaft