Deutscher Naturschutzring: Draghi-Bericht zur Wettbewerbsfähigkeit
Der Wirtschaftswissenschaftler, ehemaliger italienischer Ministerpräsident und ehemaliger Präsident der Europäischen Zentralbank Mario Draghi hat Europa in einer Welt wachsender Konkurrenz, zunehmender Krisen, alternder Bevölkerung und stagnierender Wirtschaft einen recht teuren Spiegel vorgehalten. Mehrere hundert Seiten hat der zweiteilige Draghi-Bericht über „Die Zukunft der europäischen Wettbewerbsfähigkeit“. Er liefert konkrete Vorschläge, wie die „drei Transformationen“, die angesichts schrumpfenden Produktivitätswachstums gegenüber den USA und China, vor Europa liegen, bewältigt werden können. Er meint die Notwendigkeit, erstens Innovation zu beschleunigen und neue Wachstumsmotoren zu finden, zweitens die hohen Energiepreise zu senken und gleichzeitig die Dekarbonisierung und den Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft fortzusetzen. Drittens müsse Europa auf „eine Welt mit weniger stabilen geopolitischen Verhältnissen reagieren, in der Abhängigkeiten zu Schwachstellen werden und Europa sich in Bezug auf seine Sicherheit nicht mehr auf andere verlassen kann“. Um die im Bericht dargelegten Ziele zu erreichen, seien nach den jüngsten Schätzungen der Kommission zusätzliche Investitionen in Höhe von mindestens 750 bis 800 Milliarden Euro jährlich erforderlich. Die Gesamtsumme dürfte jedoch zu niedrig angesetzt sein, da nicht alle in diesem Bericht genannten Ziele berücksichtigt seien, heißt es auf Seite 281 - erhebliche zusätzliche Investitionen seien erforderlich. Der rechtlich nicht bindende Draghi- Bericht dürfte einen erheblichen Einfluss auf die künftige EU-Wirtschafts- und Außenpolitik, die „Mission Letters“ an die künftigen EU-Kommissar:innen sowie für das Arbeitsprogramm der EU-Kommission generell haben.
Position des Europäischen Umweltbüros (EEB)
Das EEB reagierte mit einer kritischen Mahnung auf den Bericht. Wenn Europa wirklich führend sein wolle, müsse es sich bei dem Wettlauf an die Spitze darauf konzentrieren, die Menschen und den Planeten in den Mittelpunkt seiner industriellen Strategie zu stellen. Die europäische Industrie brauche „intelligente Politik“, nicht nur finanzielle Investitionen. Innovationen dürften nicht auf Kosten von Mensch und Natur geschehen. Die Dekarbonisierung sei zwar entscheidend für die Wettbewerbsfähigkeit der EU, aber Draghis „technologieneutraler“ Ansatz sei „gefährlich“. Kernenergie und Kohlenstoffspeicherung CCS verlangsamten den grünen Übergang nur. „Erneuerbare Energien sind schneller, billiger und effektiver“, so die Organisation auf X. Christian Schaible, Leiter des EEB für umweltfreundliche Industrie, kritisierte: „Ein Wettlauf mit China und den USA ist nicht nur wirtschaftlich unvernünftig, sondern wird die geopolitischen Spannungen nur weiter anheizen. Europas wahrer Wettbewerbsvorteil liegt in der Führung eines globalen Wandels, der Entgiftung, Entschlackung und Wiederherstellung vorantreibt.“ Fairen und transparenten Partnerschaften, hochwertigen grünen Arbeitsplätzen und höchsten Umwelt- und Sozialstandards müssten Vorrang eingeräumt werden, um die Deindustrialisierung in kritischen Sektoren zu bekämpfen. Das EEB sieht weitere „klare Mängel“ im Bericht. So gebe es keine einzige Erwähnung der EU-Industrie als Lösungsanbieter für nachhaltige
Wasserdienstleistungen, Lebensmittelproduktion oder andere lebenswichtige Dienstleistungen. Es fehle außerdem eine Klärung, ob „strategisch wichtige Sektoren“ tatsächlich mit nachhaltiger Produktion und der Bewältigung der dreifachen planetarischen Krise vereinbar sind, und eine Betonung des „polluters pay“-Prinzips, der die Verursacher von Umweltverschmutzung zur Kasse bittet. Das EEB empfiehlt ein ständiges EU- Investitionsinstrument in Höhe von mindestens 1,6 Prozent des EU-Bruttoinlandsproduktes pro Jahr, damit die Mitgliedstaaten in den Übergang zu einer Wirtschaft des Wohlstands und eines sicheren Planeten investieren können. Suffizienz - die Verringerung des Gesamtverbrauchs – sei immer noch „der stärkste Hebel zur Erhöhung der Sicherheit und zur Verringerung der Abhängigkeit“. (Quelle: DNR)
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