Deutscher Naturschutzring: KI-Verordnung der EU schützt Menschenrechte, aber kaum die Umwelt

Die Regelung soll einen Ausgleich zwischen Nutzen und Risiken von KI schaffen. Der Schwerpunkt liegt auf gesellschaftlichen Risiken, ökologische Nachhaltigkeit hingegen wird vernachlässigt. Der Trend zur Künstlichen Intelligenz (KI) hat in den letzten Monaten nicht nur die Aktienkurse des KI-Chip Herstellers NVIDIA in die Höhe getrieben, sondern auch den Energieverbrauch von digitalen Infrastrukturen. Die Internationale Energieagentur (IEA) prognostiziert, dass sich der weltweite Energieverbrauch von Rechenzentren wegen des KI- Trends von 460 Terawattstunden im Jahr 2022 bis zum Jahr 2026 auf 1000 Terawattstunden mehr als verdoppeln wird. Dies entspricht einer jährlichen Steigerungsrate von 21 Prozent.

Dass diese Prognose nicht überzogen ist, zeigen beispielsweise die Zahlen aus Googles diesjährigem Nachhaltigkeitsbericht. Der Suchmaschinenkonzern hat seinen Stromverbrauch von 21 Terawattstunden im Jahr 2022 auf 25 Terawattstunden im Jahr 2023 um 18 Prozent gesteigert. Doch die Umweltauswirkungen von KI reichen weit über den Energieverbrauch von Rechenzentren hinaus. Wissenschaftler:innen warnen zunehmend vor weniger offensichtlichen, aber potenziell verheerenden Risiken, die auftreten, wenn KI-Systeme nicht auf ökologische Ziele ausgerichtet werden. Ohne klare Umweltvorgaben könnte KI Lieferketten so gestalten, dass die Kosten sinken, während der CO2-Fußabdruck gleichzeitig massiv ansteigt. In der Landwirtschaft könnten fehlgeleitete KI-Systeme zur übermäßigen Düngemittelanwendung führen. Jenseits solcher Nebenwirkungen für die Umwelt werden viele KI-Geschäftsmodelle ganz bewusst in einer Weise ausgerichtet, die ökologische Probleme verstärken und beschleunigen könnten: Personalisierte Chatbots, die Konsument:innen überzeugen, immer mehr zu kaufen, selbstfahrende Autos, die auch ohne Passagiere unterwegs sind, oder Anwendungen, die Unternehmen dabei helfen, Umweltauflagen zu umgehen. Für solche Wirkungen der KI gibt es bislang wenig Bewusstsein.

Was bedeutet die KI-Verordnung für die nachhaltige Transformation?

Die europäische KI-Verordnung (EU/2024/1698) legt ihren Schwerpunkt auf die gesellschaftlichen Risiken von KI und leistet einen wichtigen Beitrag zum Schutz wichtiger Menschenrechte und Sicherheitsinteressen. Umweltwirkungen behandelt die Verordnung dagegen stiefmütterlich. Es ist zu hoffen, dass die regulatorischen Leerstellen bei der ökologischen Nachhaltigkeit von KI gerade durch ein „regulatorisches Lernen“ bald geschlossen werden. Das ist vor allem auch deshalb zentral, weil KI natürlich nicht nur Risiken schafft, sondern auch große Potenziale hat, zu einer nachhaltigen Transformation beizutragen. Auch um diese Potenziale zu heben, bedarf es einer intelligenten Regulierung.

Auch bei den systemischen Umweltwirkungen von KI geht es zunächst darum, Wissenslücken zu schließen. Trägt eine KI-Anwendung zu einem Mehrverbrauch an Energie- oder Ressourcen in einem nachgelagerten technischen System bei oder verändert es Verhaltensmuster, die sich ökologisch nachteilig auswirken, so muss der Zusammenhang sichtbar werden. Sobald wir Auswirkungen und ihre Ursachen kennen, kann auch auf systemische Umwelteffekte gesetzlich reagiert werden. Wenngleich die KI-Verordnung selbst in umweltpolitischer Hinsicht enttäuscht, zeigt sie Wege auf, wie solche dynamisch lernenden Ansätze einer ökologischen Regulierung – auch auf der Ebene nationaler Gesetze – aussehen könnten. Bei dieser Aufgabe können Zivilgesellschaft und Umweltwissenschaft eine wichtige Rolle spielen. So können wir gemeinsam dazu beitragen, dass die KI nicht zum ökologischen Tsunami wird.

DNR EU-News 11.10.2024: KI-Verordnung der EU schützt Menschenrechte, aber kaum die Umwelt