Deutscher Naturschutzring: Neue Gentechnik – Rat ringt um Position zu Patenten
Ein neuer Kompromissvorschlag der polnischen Ratspräsidentschaft soll am 14. März die Vertreter:innen der Mitgliedstaaten im Ausschuss der ständigen Vertreter (AStV) dazu bewegen, einem Start der Trilog-Verhandlungen mit dem EU-Parlament und der Kommission zuzustimmen. Der BUND hatte nach einer AStV-„Probeabstimmung“ schon vor drohender Deregulierung gewarnt. Zu den bisherigen Vorschlägen der Ratspräsidentschaften gab es bislang keine qualifizierte Mehrheit. Polen selbst hatte in den vergangenen Monaten auf eine Kennzeichnungspflicht und auf das Vermeiden von Patenten gepocht. Nun hat die Regierung in Warschau einen Kurswechsel vollzogen. Ihr inzwischen dritter Vorschlag unterscheidet sich kaum noch von der Fassung, die vor einem Jahr unter der spanischen Ratspräsidentschaft scheiterte. Neben Polen fehlt nur noch ein kleiner Mitgliedstaat, um die qualifizierte Mehrheit von 55 Prozent der Mitgliedstaaten, die 65 Prozent der EU-Bevölkerung repräsentieren, zu erreichen. Belgien wird als möglicher Wackelkandidat gehandelt. Aber auch innerhalb der polnischen Regierung brodelt es. Sollten sich dort die Kritiker:innen der Gentechnik durchsetzen, würde Polen wohl den Punkt von der Tagesordnung des Ständigen Ausschusses nehmen. Dass Polen einem Vorschlag der kommenden Ratspräsidentschaft des Gentechnik-freundlichen Dänemark zustimmen würde, ist laut AgraEurope unwahrscheinlicher.
Die Kommission hatte bereits im Sommer 2023 einen Verordnungsvorschlag präsentiert, der einen Großteil der mit neuen Gentechnikverfahren veränderten Pflanzen aus der geltenden Regulierung nehmen würde. Für diese Pflanzen würde nicht mehr der vorsorgende Ansatz gelten, dass sie vor einer Markteinführung auf Risiken für Umwelt und Gesundheit geprüft werden müssen. Auch die Kennzeichnungspflicht auf dem Produkt würde wegfallen, die die Wahlfreiheit der Konsument:innen und Erzeuger:innen sichert, sowie die Rückverfolgbarkeit, die garantiert, dass Produkte bei Schäden schnell vom Markt genommen werden können.
Das EU-Parlament hat seinen Standpunkt vor rund einem Jahr verabschiedet. Darin fordert es die Kennzeichnung auf dem Produkt sowie eine Ausnahme von neuen Gentechnik-Pflanzen von der Patentierung. Im Rat stand die Patentfrage im Zentrum der Debatten. Wenn Patente vorliegen oder beantragt wurden, sollte das Saatgut entsprechend gekennzeichnet sein, hatte Polen in seinem ersten Vorschlag im Januar bekräftigt. Außerdem sollten die Mitgliedsstaaten die Möglichkeit erhalten, den Anbau auf ihrem Gebiet einzuschränken oder zu untersagen. Diese Passagen sind aus dem neuen polnischen Vorschlag gestrichen. Es heißt nurmehr, dass die Hersteller Auskunft über die Patentierung der Pflanzen geben müssen. Zusätzlich können sie ihre Bereitschaft erklären, Lizenzen für die Nutzung ihrer NGT-Pflanzen zu gewähren.
Kritik an dem Vorschlag
Kritik am neuen polnischen Vorschlag hagelt es von Seiten der gentechnikfreien Landwirtschaft in Europa, der Umwelt- und Verbraucherschutzverbände. Über 200 Organisationen, darunter Greenpeace, warnen in einem gemeinsamen Brief vor vorschnellen Beschlüssen „angesichts der potenziellen Risiken neuer GVO für die menschliche Gesundheit und die Natur sowie der vielen ungelösten Fragen, die auf dem Tisch liegen, wie Patente, Identifizierungs- und Nachweismethoden, Saatgutpreise, Saatgutvielfalt, Koexistenz, negative sozioökonomische Auswirkungen und das Risiko einer weiteren Kontrolle der Lebensmittelkette durch Unternehmen“. Laut Bioland sehen auch Jugendumwelt- und Jugendökolandbauverbände das Recht, gentechnikfrei zu produzieren, bedroht. Der Dachverband ökologische Pflanzenzüchtung in Deutschland erkennt in dem neuen polnischen Vorschlag „weder Vorschläge zur Risikoprüfung, Koexistenz- und Haftungs- Regelungen, noch zu Transparenz für Verbraucher:innen, Nachweispflicht, Rückverfolgbarkeit und Rückholbarkeit. Nicht einmal für das ursprünglich aus polnischer Sicht so wichtige Problemfeld der Patente enthält der Entwurf ausreichende Vorschläge, um eine gentechnikfreie Züchtung und Saatguterzeugung in Europa zu sichern.“ Die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft schlussfolgert: „Entsprechend muss dieser Vorschlag vom EU-Rat abgelehnt werden und es müssen wirksame Lösungen angegangen werden, um die Patentierung und deren Folgeprobleme zu stoppen.“