Deutscher Naturschutzring: Rechte und Konservative setzen Kontrollgremium gegen NGOs durch

Die sogenannte „Scrutiny Working Group for NGO Funding“ soll untersuchen, wie die EU-Kommission zivilgesellschaftliche Organisationen finanziert – etwa über das Umweltförderprogramm LIFE oder Fonds wie dem Europäischen Sozialfonds Plus, Horizont Europa oder dem Asyl- und Migrationsfonds AMIF. Die Entscheidung zur Einrichtung der Arbeitsgruppe fiel am 19. Juni in den Fraktionsvorsitzendenrunden. Während progressive Fraktionen – Sozialdemokraten, Liberale, Grüne und Linke – geschlossen dagegen stimmten, bildete sich die Mehrheit für das Gremium aus einer Allianz der konservativen EVP mit mehreren rechten bis rechtsextremen Fraktionen. So bekam die EVP Unterstützung von der Fraktion der Europäischen Konservativen und Reformer (EKR), in der unter anderem die rechtspopulistische PiS-Partei (Polen) und die neofaschistische Fratelli d’Italia (Italien) vertreten sind. Auch die Fraktion „Patrioten für Europa“, der unter anderem die nationalkonservative Fidesz (Ungarn) und der rechtsextreme Rassemblement National (Frankreich) angehören, unterstützte die Einrichtung des Gremiums.

Der Entscheidung vorangegangen waren unter anderem Berichte der Welt, die der EU-Kommission unterstellten, Umweltorganisationen heimlich mit Fördermitteln unterstützt zu haben, um politischen Einfluss zu nehmen. NGOs wie ClientEarth und Friends of the Earth wurden als „verlängerter Arm“ der EU-Kommission dargestellt – ein Vorwurf, der mehrfach öffentlich zurückgewiesen wurde. Ihre Programme entwickele ClientEarth unabhängig und erhalte dafür Förderung aus dem LIFE-Programm. Die Verträge seien keineswegs geheim, sondern dienten der transparenten Mittelverwendung. Auch die Kommission selbst stellte klar: „Entgegen der Berichterstattung in den Medien gibt es keine geheimen Verträge zwischen der Europäischen Kommission und NGOs.“ Auch unabhängige Recherchen von Politico und Prüfberichte des Europäischen Rechnungshofs bestätigten die Rechtmäßigkeit der NGO-Förderung. Zwar bemängelte der Europäischen Rechnungshof im April 2025 unzureichende Transparenz bei der Vergabe von EU-Mitteln, doch ging es dabei um strukturelle Defizite im Berichtswesen – nicht um Anzeichen für Fehlverhalten oder politische Steuerung zivilgesellschaftlicher Organisationen. Auch Piotr Serafin, EU-Kommissar für Haushalt, Betrugsbekämpfung und öffentliche Verwaltung, stellte klar, dass die Kommission NGOs keine Weisungen zur Einflussnahme erteilt habe. Diese Sichtweise fand auch in der Plenarabstimmung am 7. Mai Bestätigung, in der das Parlament der Förderpraxis im Rahmen der Haushaltsentlastung 2023 zustimmte.

Dennoch hielten Konservative und Rechte an der Erzählung fest, es gebe ein verdecktes Lobbyprojekt finanziert mit öffentlichen Geldern, und instrumentalisierten den Ruf nach mehr Transparenz. Diese sei offensichtlich vorgeschoben, kritisiert Iratxe García Pérez (S&D). García Pérez‘ Vorschlag, auch die Finanzierung anderer Akteure wie Unternehmen, Beratungsfirmen oder Agrarlobbyverbände zu prüfen, wurde von der EVP aber abgelehnt. Damit ist das neue Gremium ausschließlich auf NGOs fokussiert. „Eine Arbeitsgruppe einzurichten, obwohl es keinerlei Anhaltspunkte für Fehlverhalten zivilgesellschaftlicher Organisationen gibt, stellt einen klaren Missbrauch institutioneller Macht dar – angetrieben von fragwürdigen politischen Motiven“, konstatiert das European Environmental Bureau. Die gezielte Delegitimierung von zivilgesellschaftlichen Akteuren als angeblich gesteuert ist ein bekanntes Mittel antidemokratischer Kräfte. Sie zeichnen NGOs nicht als Teil demokratischer Öffentlichkeit, sondern als verlängerter Arm elitärer Netzwerke, deren Ziel es sei, politische Prozesse zu unterwandern. Diese Vorstellung speist sich aus einer Mischung aus autoritären Handlungsmustern und Verschwörungserzählungen und auch in der EU wird dieses Narrativ sichtbar, wenn NGOs als Teil einer verdeckten Einflussnahme dargestellt werden. Ob in Ungarn, den USA oder Russland – Autokraten nutzen solche Narrative, um unbequeme gesellschaftliche Stimmen zum Schweigen zu bringen, und politische Akteure übernehmen diese Rhetorik zunehmend auch in der EU.

Diverse Verbände, Bündnisse und Parteien verurteilten das neue Kontrollgremium deshalb scharf: Die deutsche Watchdog-NGO LobbyControl warnte indes, ein solches Gremium käme „einem Schauprozess gegen die Zivilgesellschaft gleich – ganz nach dem Geschmack von Autokraten wie Viktor Orbán“. Dabei ist es für pluralistische Gesellschaften notwendig, dass auch Gruppen ohne große wirtschaftliche Macht ihre Interessen artikulieren und vertreten können. Gerade in Bereichen wie Klima- und Umweltschutz, Menschenrechte oder soziale Gerechtigkeit treten NGOs als Korrektiv zu mächtigen Industrie- und Wirtschaftslobbys auf, die in Brüssel mit millionenschweren Kampagnen Einfluss nehmen. Laut LobbyControl nehmen schätzungsweise 25.000 Lobbyist:innen mit einem Jahresbudget von rund 1,5 Milliarden Euro in Brüssel Einfluss auf die EU-Institutionen – etwa 70 Prozent von ihnen im Auftrag von Unternehmen und Wirtschaftsverbänden. Damit Umwelt-, Demokratie- und Menschenrechtsorganisationen dagegen halten können, brauchen sie Förderung. Dass sie dabei klar Stellung beziehen, ist ihre inhärente Aufgabe und Ausdruck demokratischer Vielfalt, kein Mangel an Neutralität.

EU-Parlament: Rechte und Konservative setzen Kontrollgremium gegen NGOs durch