Deutscher Naturschutzring: Umweltverbände begrüßen den EU-Ozeanpakt, kritisieren aber Regelungslücken und mangelnde Konkretheit

Der EU Ocean Pact soll die Meerespolitik der EU bündeln und den Bedrohungen für die Meere, Küstengemeinden, Inseln und Regionen in äußerster Randlage Rechnung tragen. Immerhin leben 40 Prozent der europäischen Bürger:innen innerhalb von 50 Kilometern Abstand vom nächsten Meer. Die Strategie konzentriert sich dabei auf sechs Prioritäten: Schutz und Wiederherstellung der Gesundheit der Meere; Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der nachhaltigen blauen Wirtschaft der EU; Unterstützung der Küsten- und Inselgemeinden sowie der Regionen in äußerster Randlage; Förderung von Meeresforschung, Wissen, Kompetenzen und Innovation; Verbesserung der maritimen Sicherheit und Verteidigung; Stärkung der EU-Meeresdiplomatie und der internationalen Meerespolitik. Die EU-Kommission will außerdem – basierend auf der überarbeiteten Richtlinie zur maritimen Raumplanung – bis 2027 ein Meeresgesetz vorlegen und damit einen einheitlichen Rahmen schaffen, der die Zielumsetzung erleichtert und den Verwaltungsaufwand verringert. Die Brüsseler Behörde plant außerdem einen hochrangigen Ozeanausschuss einzurichten, in dem Vertreter:innen verschiedener meeresbezogener Sektoren zusammenkommen, um die Umsetzung des Paktes für die Meere zu steuern. Zusätzlich werde eine neue „öffentliche, transparente und zentralisierte“ Plattform installiert („EU-Dashboard“), um die Fortschritte bei der Verwirklichung der Ziele verfolgen zu können. Die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen („Meere sind Wasser, Wasser ist Leben“) will den EU Ocean Pact auch auf der vom 9. bis 13. Juni stattfindenden UN-Konferenz zu Ozeanen in Nizza öffentlich vorstellen.

Positionen von Umweltschutzorganisationen

BirdLife, ClientEarth, Oceana, Seas At Risk, Surfrider Foundation und WWF Europa begrüßten „zaghafte Schritte nach vorne“, bemängeln aber „kritische Lücken“. Es fehlten konkrete Schritte gegen zerstörerische Fischereipraktiken sowie ein klarer Aktionsplan für die Umsetzung bestehender Ziele und Verpflichtungen. Vor allem fehlten angemessene Finanzmittel und Zusagen der öffentlichen Hand für den Schutz und die Wiederherstellung der Meere und für die Unterstützung von Kleinfischereibetrieben. Zudem müsse es sinnvolle Maßnahmen zur Verringerung der Verschmutzung an der Quelle geben, die auch Plastik, Nährstoffe und chemische Schadstoffe umfassten. Vermisst wird auch ein Fahrplan für einen gerechten Übergang zu einer regenerativen blauen Wirtschaft. Positiv bewerten die sechs europäischen Umweltorganisationen die Zusage der Kommission, für mehr Kohärenz zu sorgen und die wirksame Umsetzung der Naturschutzrichtlinien und des Gesetzes zur Wiederherstellung der Natur zu verstärken. Auch wolle die Brüsseler Behörde sich bei den zerstörerischen Aktivitäten des Tiefseebergbaus und des Geo-Engineerings im Meer für das Vorsorgeprinzip einsetzen. Nicht zuletzt wurde die Ankündigung begrüßt, auf den Abschluss eines internationalen Abkommens zu drängen, das eine Regulierung von Subventionen vorsieht, die Anreize zur Überfischung bieten.

Angesichts des „dramatischen Zustands europäischer Meeresökosysteme“ bleibe die erste gemeinsame Strategie „erschreckend zahnlos“, kommentierte die Deutsche Umwelthilfe (DUH) den EU-Ozeanpakt. Dieser enthalte keine konkreten Maßnahmen und Zeitpläne und bleibe rechtlich unverbindlich. Es fehlten notwendige Beschlüsse wie ein klares Verbot zerstörerischer Fischereimethoden, ein verbindliches Schutzgebietsmanagement sowie klare ökologische Leitplanken bei maritimer Mehrfachnutzung. Bei der Meeresnutzung gebe es zwar eine Betonung regionaler Kooperation beim Ausbau der Offshore-Windenergie. Allerdings fehlten Umweltvorgaben für die gleichzeitige Nutzung von Meeresräumen für Windkraft, Fischerei und Aquakultur. Die DUH forderte Bundesumweltminister Carsten Schneider auf, bei der UN-Ozeankonferenz für verbindliche Schutzmaßnahmen einzutreten. Auch der BUND meint, Deutschland müsse angesichts des schlechten Umweltzustands von Nord- und Ostsee bei der UN-Ozeankonferenz „mehr Verantwortung übernehmen“ sowie Grundschleppnetzfischerei verbieten.

Zeitgleich sehen sich die Staats- und Regierungschefs der EU mit einer neuen Klage wegen der weit verbreiteten zerstörerischen Fischerei in Meeresschutzgebieten (MPA) konfrontiert. Die fortgesetzte Genehmigung dieser Aktivitäten verstößt aus Sicht von Umweltorganisationen gegen EU-Naturschutzrecht. Eine von ClientEarth, Oceana, Seas at Risk und Danmarks Naturfredningsforening im Juni eingereichte Klage ist die jüngste in einer Reihe von Rechtsstreitigkeiten aus allen Teilen der EU über die Grundschleppnetzfischerei in Schutzgebieten. Jüngste Untersuchungen hätten außerdem gezeigt, dass kein EU-Land einen umfassenden Plan zur schrittweisen Abschaffung der Grundschleppnetzfischerei in den MPA hat. Derzeit würden rund 60 Prozent der MPA in der EU mit Schleppnetzen befischt, so die Organisationen. 

EU-Ozeanpakt: theoretisch gut, praktisch noch unverbindlich