Deutscher Naturschutzring: Weltchemikalienkonvention
In den vergangenen Jahrzehnten haben die Nutzung natürlicher Ressourcen und die Chemikalienproduktion weltweit dramatisch zugenommen. Während früher meist lokale Auswirkungen auf Gesundheit und Umwelt im Vordergrund standen, ist inzwischen klar, dass der gegenwärtige Umgang mit Rohstoffen, Chemikalien und aus Chemikalien hergestellten Produkten die Biosphäre als Ganzes gefährdet. Durch die massiven Eingriffe des Menschen seit Beginn des Industriezeitalters hat die Erde die stabile Phase des Holozäns verlassen und ist in eine neue erdgeschichtliche Periode, das Anthropozän, eingetreten. Unsere heutige Wirtschaftsweise und aktuellen Lebensstile sind nicht nachhaltig und überschreiten die Kapazitätsgrenzen unserer Erde. Die Tendenzen beim globalen Rohstoff- und Energieverbrauch weisen auf eine sich beschleunigende Zunahme hin. Eine Trendwende ist nicht in Sicht. Die Menschheit hat den sicheren Handlungsraum bereits verlassen.
Zukunftstaugliche Stoffpolitik gelingt nur mit Umbau der Wirtschaft und des Konsums
Die gesetzlichen Grundlagen des Chemikalien-, Produkt- und Abfallrechts sind deshalb auf eine gemeinsame Basis zu stellen und eng aufeinander abzustimmen. Dies gilt sowohl national als auch international. Eine nachhaltige Stoffpolitik muss zudem alle Lebensbereiche wie Mobilität, Wohnen und Bauen, Ernährung, Bekleidung und Konsum umfassen. Sie geht damit weit über die bisherige Chemikalienpolitik hinaus und erfordert ähnlich wie beim Klimaschutz eine umfassende Transformation der Wirtschaftsweise und des Konsumverhaltens. Stoffpolitik ist dabei eng mit Ressourcen- und Klimaschutz verknüpft und muss gemeinsam mit diesen gedacht und umgesetzt werden. Die Stoffpolitik ist stärker an den Leitbildern Vorsorge und Nachhaltigkeit auszurichten. Dies bedeutet international eine Verknüpfung mit den Zielen für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals, SDGs) der Vereinten Nationen.
Weiters braucht es eine internationale Rahmenkonvention, die verbindliche Reduktions- und Managementregeln für Stoffe und Chemikalien definiert. Diese zukünftige globale Rahmenkonvention zum nachhaltigen Management von Stoffen, Materialien und Ressourcen soll vorhandene Regelungen für Chemikalien, Schadstoffe, Ressourcen und gefährliche Abfälle verbinden und dabei gleichzeitig verbindliche Reduktionsziele festlegen, wie in einem Positionspapier des BUND vorgeschlagen. Die wissenschaftliche Basis für ein solches Abkommen sollte ein Weltchemikalienrat entwickeln. Über ein solches Science Policy Panel für ein internationales Chemikalien- und Abfallmanagement wird gerade auf Basis der Beschlüsse der Umweltversammlung der Vereinten Nationen UNEA 5.2 verhandelt. Es ist wichtig, dass diese wissenschaftliche Plattform unabhängig von politischen und wirtschaftlichen Interessen ist. Ihre Aufgabe besteht darin, das Bewusstsein zu fördern, dass die Chemikalienverschmutzung die dritte große Weltkrise neben Klimawandel und Biodiversitätsverlust ist, und Wege aus dieser Krise aufzuzeigen.
Wir benötigen mehr Verbindlichkeit, als sie im bisherigen SAICM-Prozess bestanden hat. Die Beschlüsse der Weltchemikalienkonferenz in Bonn sollten deshalb den Weg zu einem verbindlichen Abkommen ebnen und nicht mehr nur bei einem Austauschforum verharren, das an die Regierungen und die Industrie nützliche Appelle richtet.