Dialog zum Schutz der Biodiversität

1. Okt 20

Ein Expert*innenpapier mit über 600 Stellungnahmen zu Biodiversität präsentierte das Umweltministerium zu Beginn dieser Woche. In einem transparenten Prozess und unter Beteiligung aller Interessensgruppen wurden auf Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse konkrete Lösungsansätze erarbeitet.

Eine Unterstützung für die Umsetzung der präsentierten Maßnahmen zum Schutz der Biodiversität dürfte sich Umweltministerin Gewessler auch aus dem Parlament erwarten. „Der Nationalrat hat im Mai drei einstimmige Entschließungen gefasst, die unsere Umweltministerin bei der Umsetzung ihrer Pläne unterstützen“, kommentiert Astrid Rössler, Umweltsprecherin der Grünen, die vom Biodiversitätsdialog als Weichensteller für ein Ende des Artensterbens in Österreich überzeugt ist.

Rössler: Nationalrat steht hinter Gewesslers Plänen zum Schutz der Biodiversität

„Es besteht parteienübergreifender Konsens, dass es dringend einen Maßnahmenplan gegen das Bienen- und Insektensterben braucht. Ebenso einig waren wir uns im Nationalrat über zusätzliche Maßnahmen zum Schutz und Erhalt der Artenvielfalt in österreichischen Flüssen, Seen und Feuchtgebieten. Und die Umsetzung der Biodiversitätsstrategie soll nach Ansicht aller Parteien in den Sektoren außerhalb des Wirkungsbereichs der Gemeinsamen Agrarpolitik über einen Biodiversitätsfonds finanziell sichergestellt werden“, so Rössler.

Erst vor zwei Wochen wurde bekannt, dass die Menschheit sämtliche der bis 2020 gesetzten Artenschutzziele der Vereinten Nationen verfehlt hat. „Auch Österreich ist alles andere als ein Musterland: Die Hälfte aller Amphibien, Reptilien und Fische sind hierzulande gefährdet, jede dritte Vogel- und Säugetierart sogar vom Aussterben bedroht“, kritisiert Rössler.

Eine Insektenstudie verdeutlicht auch die Bedeutung der kleinsten Lebewesen: „Ob als Bestäuber für Pflanzen, Schädlingskontrolle in der Landwirtschaft oder als Nahrungsgrundlage von Fröschen und Vögeln - sterben die Insekten, droht das Kartenhaus der Artenvielfalt zusammenzufallen.“ Die Ursachen sind altbekannt: „Flächenverluste, Bodenversiegelung, übermäßiger Pestizideinsatz, die Zerstörung natürlicher Lebensräume. Für Insekten besonders wichtig sind die Ufer entlang von Flüssen und andere Feuchtgebiete“, meint Rössler.

 

WWF: Neue Biodiversitätsstrategie darf nicht zum Papiertiger werden

Der World Wildlife Fund (WWF) Österreich fordert in seiner Stellungnahme zum Biodiversitätsdialog des Umweltministeriums einen integrierten Maßnahmen- und Aktionsplan, welcher einen wirksamen Schutz der Artenvielfalt sicherstellt. „Die neue Biodiversitätsstrategie muss verpflichtende Ziele, Vorgaben und Zuständigkeiten enthalten, damit sie nicht wieder zu einem zahnlosen Papiertiger verkommt. Dafür braucht es auch eine ausreichende Finanzierung und ein deutlich besseres Monitoring geschützter Arten“, fordert WWF-Artenschutzexperte Arno Aschauer, der dafür die gesamte Bundesregierung und die Bundesländer in der Pflicht sieht. „ Derzeit gibt es hier massive Defizite. Alle Ressorts müssen sich dem Schutz der Biodiversität widmen und in ihre Gesetze und Verordnungen integrieren.“

Das für den aktuellen Konsultationsprozess vorgelegte Fachleute-Papier bestehe aus einer Sammlung an Maßnahmen, die meist nur sehr allgemein beschrieben seien und keine ausreichend genauen inhaltlichen, zeitlichen und finanziellen Zielvorgaben enthalten, kritisiert der WWF. Vor allem fehlen eine klare Zuordnung und Verteilung der Aufgaben an Behörden und Stakeholder. „Nur mit einem integrierten Maßnahmen- und Aktionsplan wird es Fortschritte geben. Ansonsten wird auch die neue Biodiversitätsstrategie ihre Ziele krachend verfehlen“, warnt Aschauer.

WWF-Stellungnahme zur Öffentlichen Konsultation für mögliche Elemente einer Biodiversitätsstrategie Österreich 2030

 

ARCHE NOAH zu Biodiversitätsstrategie: Saatgutvielfalt jetzt mit konkreten Maßnahmen retten

Die Biodiversitätsstrategie 2030 braucht neben einem Aktionsplan klare Verantwortlichkeiten und ausreichend Budget. Das fordert die Verein ARCHE NOAH - Gesellschaft für die Erhaltung der Kulturpflanzenvielfalt & ihre Entwicklung im Anschluss an dieöffentliche Konsultation für die österreichische Biodiversitätsstrategie bis 2030. Die Geschwindigkeit des Vielfaltverlustes sei nicht nur in Österreich, sondern auch global dramatisch. ARCHE NOAH begrüßt daher die Übernahme der Ziele aus der EU-Biodiversitätsstrategie, beispielsweise zum Ausbau von Biolandwirtschaft und zur Reduktion des Pestizid-Einsatzes. Diese müssen nun in konkrete Maßnahmen umgesetzt werden. Kulturpflanzenvielfalt hat großes Potential bei der Bewältigung sowohl der Biodiversitäts- als auch der Klimakrise.

„Der Verlust der Kulturpflanzenvielfalt ist schon so weit fortgeschritten, dass unsere Ernährungssicherheit langfristig gefährdet ist“, warnt Dagmar Urban, politische Referentin bei ARCHE NOAH. „Saatgut-Vielfalt ist die Versicherung für die Herausforderungen von morgen. Die österreichische Bundesregierung muss handeln und mit einer ambitionierten Politik und mit konkreten Maßnahmen diesen Schatz vor seiner Zerstörung bewahren“, so Urban.

In einer Untersuchung des Umweltbundesamtes wurden für Österreich wurden unter anderem die Landwirtschaft als eine der Hauptursachen für den Biodiversitätsverlust genannt. Laut einer Schätzung der Welternährungsorganisation FAO sind seit 1900 global schon 75% der Kulturpflanzenvielfalt verloren gegangen, in Österreich gingen beispielsweise 80-90% der Apfel-Vielfalt verloren. Die Vielfalt auf den Feldern ist auch ein notwendiger Lebensraum für bestäubende Insekten: Diese benötigen eine kleinstrukturierte, vielfältige Kulturlandschaft, um zu überleben. 

„Wir brauchen eine ambitionierte Biodiversitätsstrategie und eine verbindliche Umsetzung. Die Strategie darf keine abstrakte Vision oder Wunschliste bleiben“, fordert Urban. „Wir brauchen einen Aktionsplan mit konkreten Maßnahmen, ausreichend Budget, klaren Verantwortlichkeiten und einem starken Monitoring. Gerade im Bereich der Vielfalt in den Samenarchiven, und auf den Feldern und Tellern gibt es viel zu tun – aber auch die große Chance, unsere Ernährungsgrundlage und damit unsere Gesundheit langfristig zu schützen. Wir können uns das Verfehlen von zentralen Zielen wie bei der Strategie bis 2020 nicht noch einmal leisten. Die gesamte Bundesregierung, insbesondere Umweltministerin Gewessler und Landwirtschaftsministerin Köstinger müssen Verantwortung übernehmen und jetzt rasch ihren Beitrag gegen das große Aussterben unserer Lebensgrundlage leisten.“

ARCHE NOAH-Stellungnahme zur Biodiversitätsstrategie

 

WWF Pressemeldung

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