Direktsaat: Mit alter Technik und neuer Technologie für Nachhaltigkeit

23. Juli 20

Beide Ziele folgen der Intention, den Verlust der Biodiversität zu bekämpfen, den Klimawandel zu stoppen und eine nachhaltige Landnutzung zu unterstützen. Gesunde Böden stehen ganz oben auf der politischen Agenda der EU-Kommission. Bodendegradation ist jedoch „im Kontext des EU-Territoriums weit verbreitet und weitreichend“, zeigte ein kürzlich veröffentlichter Bericht des Mission Board für Bodengesundheit und Ernährung der EU-Kommission. Im Bericht kommt das Board zu dem Schluss, dass 25 bis 30 Prozent der EU-Böden derzeit „entweder organischen Kohlenstoff verlieren, erodieren oder verdichtet sind oder eine Kombination davon aufweisen“, während insgesamt 60 bis 70 Prozent der Böden innerhalb der EU-Staaten als durchaus „ungesund“ eingestuft wurden. Dies komme vor allem auf landwirtschaftlich genutzten Flächen vor.

Zum ersten Mal zeigt diese auch den Zusammenhang zwischen Landwirtschaft und Nitratbelastung. Deutschland muss dringend seine Nitratwerte im Grundwasser senken und hat seine Düngeverordnung stark verschärft. Ursache der schlechten Grundwasserqualität ist vor allem die Tiermast.

In einem Gespräch mit EURACTIV.com zeigte sich der Landwirt Trey Hill aus den USA optimistisch, dass sein innovativer Ansatz in der Landwirtschaft zu den Nachhaltigkeitszielen der EU beitragen kann. Hill erforscht das Potenzial der Direktsaat – eine Praxis, die seiner Ansicht nach einige sie als „technologisch rückständig“ abtun. Die Direktsaat beschreibt den Anbau von Feldfrüchten ohne vorherige Bodenbearbeitung, also die konventionelle Art und Weise, den Boden zu pflügen und so für den Anbau vorzubereiten. Direktsaat gilt als eine Schlüsselkomponente der „konservierenden Landwirtschaft“. Mit Bodenbearbeitung wie Pflügen werden unerwünschte Pflanzen abgetötet und eine leichtere Pflanzung ermöglicht.

Diese konventionelle Bodenbearbeitung ist jedoch kostspielig und zeitaufwendig und kann die Qualität des Bodens mindern, was wiederum zu Bodenverdichtung und Erosion führt. Während Direktsaat zwar auch in der EU praktiziert wird, wird sie hier in deutlich geringerem Maße zum Einsatz gebracht als anderswo: Obwohl einige Bauernorganisationen oder -verbände diese Praxis bereits mit einigem Erfolg eingeführt haben, wird sie derzeit nicht in großem Maßstab angewandt, teilten EU-Quellen EURACTIV.com mit. Dabei hat sich die Direktsaat in Verbindung mit anderen „konservierenden“ landwirtschaftlichen Praktiken als ein kostengünstiger Weg erwiesen, die Bodenerosion erfolgreich zu bekämpfen und die Effizienz des Wasser- und Düngemitteleinsatzes in der EU zu verbessern.

Das Direktsaatsystem helfe, „Geld, Treibstoff und Arbeitskosten zu sparen“, erklärt Trey Hill, der Mais, Weizen und Sojabohnen produziert – „und gleichzeitig die Erträge aufrechtzuerhalten.“ Hill ist führend in der Innovation von Deckkulturen. Dabei werden Pflanzen, die den Boden bedecken und bereichern sollen, direkt neben Nutzpflanzen angebaut. Außerdem ist er Initiator zahlreicher Programme und Vereinigungen zur Förderung der Bodengesundheit und einer bodenschonenden Landwirtschaft. Hill erklärt gegenüber EURACTIV.com, er setze sich dafür ein, „eine Mischung aus traditioneller Praxis mit Innovation und Kreativität zu schaffen, um neue Lösungen aufzudecken, die die Branche vorwärts bringen“, und betont, dass Direktsaatsysteme ein enormes Potenzial für den Schutz der Böden, die Verbesserung der Biodiversität, die Verringerung des Chemikalieneinsatzes sowie des Wasserabflusses und der Sequestrierung von CO2 bergen.

Hill behauptet außerdem, sein innovatives System sei widerstandsfähiger gegen unerwartete Schockereignisse: „In einem guten Jahr kann ich nicht sagen, dass meine Erträge viel höher sind als die meiner Nachbarn, sie könnten sogar etwas niedriger sein“, räumt er ein, fügt aber hinzu, dass dieser Ertragsunterschied in der Regel weniger beträgt, als er zuvor für die Bestellung seiner Felder ausgegeben hätte. „Aber man beginnt wirklich, den Unterschied in den Systemen zu sehen, wenn die Bedingungen schlecht sind. Wenn es eine Dürre gibt, kann man beobachten, dass Flächen mit Direktsaat produktiver sind als konventionelle Betriebe in der Umgebung. Die Temperatur des Bodens ist kühler, das System ist wassersparend. Und Bestäuber bevorzugen die kühleren Bedingungen“, erklärt Hill. Angesichts des Klimawandels werde diese offensichtlich immer wichtiger.

Traditionell als “ Randgruppenbewegung “ betrachtet, werde die Praxis der Direktsaat nun auch zunehmend als eine Mainstream-Praxis anerkannt, die „machbar, effektiv und wirtschaftlich vorteilhaft“ sein könne, so Hill. Er gibt aber zu, dass noch mehr Forschung erforderlich sei, um die wirklich besten Direktsaat-Methoden zu bestimmen. „Im Moment testen die Landwirte viel aus. Aber was wir brauchen, sind quantifizierbare Zahlen und wissenschaftliche Forschung, um diese Techniken wirklich voranzutreiben“, ist der Farmer überzeugt. Deswegen kooperiere er mit mehreren universitären Forschungsprojekten. Direktsaat wird oft mit kleineren Betrieben in Verbindung gebracht, aber Hill – der 5.000 Hektar bewirtschaftet – betont, dass es nicht um die Größe geht, sondern um Management und die intelligente Anwendung von unterstützenden Werkzeugen und Technologien. „Entscheidend ist, dass man an das, was man tut, glaubt und davon überzeugt ist, und dass man aus Beobachtungen lernt“, sagt er und fügt hinzu, dass Technologien für die Präzisionslandwirtschaft wie Ertragsüberwachung und Satellitenbilder der Schlüssel zum Erfolg seines Betriebs seien.

Hill betont, es sei wichtig, „alle Technologien einzusetzen, die den Landwirten helfen können, ihren Lebensunterhalt zu bestreiten und gleichzeitig Teil der Lösung zu sein“. Für ihn sei es das Ziel, das Beste aus modernen genomischen, chemischen und technologischen Innovationen herauszuholen und diese mit konservierenden Landwirtschaftsmethoden zu kombinieren, um ein Hybridsystem für die „beste aller Welten“ zu schaffen. Der Anbau von Deckfrüchten werde in seiner Region durch Subventionen stark gefördert, was seiner Meinung nach für viele neue Direktsaat-Landwirte eine wichtige Motivation darstellt. So werde in den ersten Jahren der Umstellung ein gewisses Sicherheitsnetz geboten. Hill ist überzeugt: „Wenn Landwirte in der Lage sind, Gewinne aus der Sequestrierung von Kohlenstoff zu erzielen, und wenn die Verbraucher darin ebenfalls einen Wert sehen, dann wird dies die Verbreitung von Direktsaat-Techniken fördern. Und das wäre im Interesse aller.“

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