Drang zur Deregulierung unseres Agrar- und Lebensmittelsystems
Die Abgeordneten einigten sich am 8. Oktober auf ihre Verhandlungsposition für Gespräche mit dem Rat über die Vereinfachung der gemeinsamen Agrarpolitik der EU. In dem mit 492 Stimmen bei 111 Gegenstimmen und 39 Enthaltungen angenommenen Text fordern die Abgeordneten mehr Flexibilität und zusätzliche Unterstützung für Landwirt:innen bei der Einhaltung der geltenden Vorschriften der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP). Die Abgeordneten wollen mehr Flexibilität bei der Umsetzung der Umweltvorschriften der GAP einführen. Sie sind der Ansicht, dass nicht nur Betriebe, die vollständig als biologisch zertifiziert sind, automatisch als konform mit bestimmten Anforderungen zur Erhaltung der landwirtschaftlichen Flächen in gutem agrarischen und ökologischen Zustand gelten sollten, sondern auch Betriebe, bei denen nur Teile als biologisch zertifiziert sind, Betriebe in besonderen Schutzgebieten sowie Betriebe mit einer Fläche von unter 50 Hektar. Das Parlament lehnt die von der Kommission vorgeschlagene neue Form der Direktzahlungen für Landwirt:innen ab, die von Naturkatastrophen betroffen sind. Die Abgeordneten unterstützen jedoch den Vorschlag für eine neue Krisenzahlung über die Entwicklungsprogramme für den ländlichen Raum der EU. Diese Krisenhilfe für Landwirt:innen sollte nach ihrer Ansicht für die Mitgliedstaaten verpflichtend sein. Außerdem sollen Krankheitsausbrüche bei Nutztieren in die Liste der Ereignisse aufgenommen werden, deren Auswirkungen auf Landwirt:innen eine finanzielle Unterstützung rechtfertigen könnten. Das Parlament schlägt vor, die Höchstbeträge für die Unterstützung von Kleinbauern zu erhöhen Um die Implementierung der neuen Regelungen zu beschleunigen, fordern die Abgeordneten, dass im Jahr 2026 Änderungen der nationalen Strategiepläne auf Grundlage dieses neuen Gesetzes rechtliche Wirkung entfalten können, noch bevor sie formell von der Kommission genehmigt werden.
Die Gespräche mit den Mitgliedstaaten sollen am 9. Oktober beginnen, um eine mögliche endgültige Annahme der neuen Regeln während der Plenarsitzung im November 2025 zu ermöglichen.
Kritik an der Deregulierung
Laut Kritiker:innen verfolgt die Kommission mit ihrem Vorschlag keineswegs eine bloße Entlastung der Landwirt:innen, sondern einen weitreichenden Abbau zentraler Umweltauflagen – ohne Umweltverträglichkeitsprüfung, Folgenabschätzung oder ausreichende öffentliche Konsultation. Wichtige Mindeststandards würden gestrichen werden, etwa: die Verpflichtung zu Maßnahmen gegen Bodenerosion und der Schutz von wertvollen Grünlandflächen in Natura-2000-Gebieten. Damit droht ein Freibrief für umweltbelastende Landwirtschaft – mitten in Schutzgebieten, von denen bereits 80 % in schlechtem oder sehr schlechtem Erhaltungszustand sind. Neben den ökologischen Risiken warnen Experten vor den Folgen für die Landwirte selbst. Schon jetzt leidet der Agrarsektor unter ständigen und undurchsichtigen Regeländerungen, die langfristige Planung fast unmöglich machen. Das nun anstehende Paket wäre bereits die zweite tiefgreifende GAP-Reform innerhalb eines Jahres - mit entsprechend hoher Unsicherheit für Betriebe. Zudem kritisieren Umweltorganisationen und Beobachter den Mangel an Transparenz und demokratischer Kontrolle. Was als technisches Anpassungspaket daherkommt, könnte sich als einer der größten Rückschritte der europäischen Umweltpolitik seit Jahren erweisen. Anstatt Landwirte zu entlasten, droht der Vorschlag, ihre Zukunftsplanung weiter zu verkomplizieren – und gleichzeitig den Schutz von Böden, Wasser und Artenvielfalt preiszugeben.
Parlament bereit zu Gesprächen zur Vereinfachung der EU-Agrargesetze