Ein Sechstel der Lebensmittel in der Landwirtschaft geht verloren

Der vom World Wildlife Fund UK und dem britischen Einzelhändler Tesco veröffentlichte Bericht „Driven to Waste“ stellt fest, dass allein in der landwirtschaftlichen Phase 1,2 Milliarden Tonnen – oder 15,3% – der weltweit produzierten Lebensmittel bei Ernte- oder Schlachtvorgängen verloren gehen.

Frühere Schätzungen zu Lebensmittelverschwendung, unter anderem von der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO), betrachten nur die Abfälle, die nach der Ernte der Lebensmittel anfallen. Daher können sie das Ausmaß des Problems stark unterschätzen. Demnach gehen neue, im Rahmen des Berichts erstellte Schätzungen davon aus, dass bis zu 40 % aller Lebensmittel nie verzehrt werden, wenn sowohl die Landwirtschaft als auch die Nachzucht berücksichtigt werden.

Der Bericht weist auch darauf hin, dass Lebensmittelverluste in landwirtschaftlichen Betrieben ein zu wenig beachtetes Problem in Europa und anderen industrialisierten Regionen sind, die sich tendenziell auf Lebensmittelverschwendung auf Einzelhandels- und Verbraucherebene konzentrieren.

Landwirtschaftliche Überproduktion fördert Lebensmittelverlust

Die neuen Daten zeigen, dass 58 % der weltweiten Lebensmittelverschwendung in landwirtschaftlichen Betrieben tatsächlich in Regionen mit mittlerem und hohem Einkommen anfallen - trotz einer größeren Automatisierung im landwirtschaftlichen Betrieb, einer besseren Infrastruktur und fortschrittlicherer agronomische Praktiken. Einer der vielen Faktoren dahinter ist die landwirtschaftliche Überproduktion und die Sättigung der Märkte, welche die Preise nach unten treibt und ein strukturelles Problem schafft.

„Driven to Waste macht deutlich, dass der Zugang zu Technologie und Schulungen in landwirtschaftlichen Betrieben nicht ausreicht; Entscheidungen, die von Unternehmen und Regierungen weiter unten in der Lieferkette getroffen werden, haben einen erheblichen Einfluss auf die Menge an Nahrungsmitteln, die in landwirtschaftlichen Betrieben verloren gehen oder verschwendet werden“, erklärte Lilly Da Gama, Food Loss and Waste Program Manager beim World Wildlife Fund (WWF) UK und eine der Hauptautor*innen des Berichts. Um eine sinnvolle Reduzierung zu erreichen, müssten nationale Regierungen und Marktakteure Maßnahmen ergreifen, um Landwirt*innen auf der ganzen Welt zu unterstützen und sich dazu verpflichten, die Lebensmittelverschwendung auf allen Stufen der Lieferkette zu halbieren. Die aktuelle Politik sei nicht ehrgeizig genug, kritisierte Da Gama.

„Die EU hat lange übersehen, wie wichtig die Lebensmittelverschwendung in den frühesten Phasen der Lieferkette ist. Diese neuen Schätzungen sollten als Schlachtruf kommen: Wir können unsere Augen nicht länger vor dieser Realität verschließen oder Maßnahmen aufschieben“, sagte Jabier Ruiz, Senior Policy Officer für Ernährung und Landwirtschaft im European Policy Office des WWF. Er kritisiert zu strenge ästhetische Vorgaben für landwirtschaftliche Produkte und schlechten Arbeitsbedingungen in der Landwirtschaft bis hin zu dysfunktionalen Märkten und Strategien, welche die Auswirkungen von Lebensmittelverschwendung außer Acht lassen. Diese würden „zu diesem besorgniserregenden Trend beitragen“ und müssen bekämpft werden. „Es ist in Reichweite, wenn sich alle Akteure engagieren und ihren Teil beitragen“, so Ruiz.

WWF report - Over 15% of food is lost before leaving the farm