EU-Klimaneutralitätsziel bis 2050 ist für Polen unerreichbar

7. Feb 2020

Nun hat die Verteidigung der Kohle laut dem Online-Nachrichtenmagazin Politico die Warschauer Regierung in Konflikt mit Brüssel und ihren Grünen Deal, nämlich den Kontinent bis 2050 klimaneutral zu machen, gebracht. Polen ist das einzige EU-Land, das sagt, es werde das Ziel der Klimaneutralität nicht erreichen können. Aber die Zukunft des wichtigen Industriezweiges ist auch durch andere Faktoren gefährdet: Die polnischen Kohlebergwerke können nicht mit billigerer Importkohle konkurrieren und die Rekordwärme sowie die wachsende Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien senkt die Kohlenachfrage.

All das stellt eine Gefahr für Polens regierende nationalistische Partei, Recht und Gerechtigkeit (PiS), dar, die die Kohle und Bergleute zu einem wichtigen Teil ihres wirtschaftlichen und politischen Programms gemacht hat. Am Freitag blockierten wütende Bergleute Eisenbahnschienen, die zu einem Kraftwerk in Łaziska Górne in Oberschlesien, dem polnischen Bergbauzentrum, führen, und forderten die Regierung auf, die Einfuhr billigerer russischer Kohle zu stoppen.

Diese Forderungen werden für die Regierung schwer zu erfüllen sein. Sein Betreiber ist Tauron, ein staatlich kontrolliertes Unternehmen, das auch an der Warschauer Börse notiert ist. Nach polnischen Recht und auch nach den Regeln der Welthandelsorganisation kann die Regierung nicht einfach von dem Energieversorger verlangen die teurere polnische Kohle zu kaufen.

Die polnischen Steinkohlebergwerke sind sehr tief und damit teuer in der Nutzung. So kostet polnische Kohle etwa 70 bis 80 Dollar pro Tonne, während Kohle aus Westeuropa oder Russland nur etwa 60 Dollar pro Tonne kostet. Folglich wird Polen von importierter Kohle überschwemmt, während ein Großteil der heimischen Produktion auf berghohen Kohlehalden gelagert wird. Allein im letzten Jahr wurden in den polnischen Bergwerken 4,5 Millionen Tonnen unverkaufte Kohle gelagert, mehr als doppelt so viel wie 2018, schätzt das Energieportal Wysokienapiecie.pl.

Außerdem gewinnen erneuerbare Energien an Bedeutung. Die Menge der Elektrizität aus Windkraftanlagen an Land stieg um 19 %, während sich die Leistung von Solarparks mehr als verdoppelte. Eine Flut von billigem Erdgas verdrängt ebenfalls die Kohle; die Stromerzeugung aus Gaskraftwerken stieg im vergangenen Jahr um 26 %. Infolgedessen ging die Stromerzeugung aus Braunkohle und Steinkohle um insgesamt 20 % im vergangenen Jahr zurück.

Immer mehr Menschen protestieren aus Sorge um Umweltverschmutzung und Klimawandel gegen den Kohleabbau und es kommt zu Konflikten zwischen GegnerInnen und Bergleuten. So wurden am Freitag Menschen aus der Stadt Imielin im Südwesten Polens, die gegen die Erweiterung eines örtlichen Kohlebergwerks protestierten, von wütenden Bergleuten angegriffen.

Doch die Regierung braucht die Stimmen der Bergleute für eine Wiederwahl im Mai dieses Jahres. Um den Sektor weiterhin zu unterstützen, beschloss die Regierung im vergangenen Monat die Einrichtung eines zentralen Kohlelagers. In das will sie 1 Million Tonnen Kohle schicken, die sich derzeit in den Bergwerken stapeln.

Skeptiker bezweifeln, dass die Idee den polnischen Kohlesektor retten wird. "Das Lager wird kein einziges Problem lösen", sagte Jerzy Markowski, ein Kohleexperte, der Ende der 1990er Jahre zur Reform des Sektors beigetragen hat. "Wenn man die Transport- und Lagerkosten hinzufügt, wird die Regierung am Ende 1 Million Tonnen unverkäuflicher Kohle haben".

 

Politico.eu: Poland coal mining is in deep trouble