EU-Klimaziel: WWF sieht „faulen Kompromiss auf Kosten des Planeten“

Einen „faulen Kompromiss auf Kosten des Planeten“ sieht die Umweltschutzorganisation World Wildlife Fund (WWF) Österreich in der Einigung auf das neue EU-Klimaziel. Die Europäische Kommission sowie der Europäische Rat hätten sich – „zum Leidwesen kommender Generationen“ - gegen das Parlament auf ganzer Linie durchgesetzt. „Die Europäische Union hat mit dem heutigen Tag ihre Klima-Vorreiterrolle endgültig abgegeben. Um dem Pariser Klimavertrag gerecht zu werden, müssen die CO2-Emissionen bis 2030 um zumindest 65 Prozent sinken – und das ohne Tricks und Schlupflöcher“, kritisiert WWF-Klimaschutz-Expertin Lisa Plattner den Kompromiss.

In den Verhandlungen mit dem Europäischen Rat und der EU-Kommission hatte das EU-Parlament zumindest eine Reduktion der Kohlenstoffdioxid-Emissionen von 60 Prozent bis 2030 verlangt, während der EU-Rat und die EU-Kommission mit 55 Prozent in die Verhandlungen gestartet waren. „Das ist viel zu wenig und entspricht tatsächlich nur 52,8 Prozent, weil zum Beispiel CO2-Einsparungen aus so genannten ‚Senken‘ wie Wäldern und Böden gegengerechnet werden können“, erklärt Plattner.

Auch die österreichische Bundesregierung unter Bundeskanzler Sebastian Kurz, der Österreich in Brüssel „entgegen dem türkis-grünen Regierungsprogramm und entgegen einem Parlamentsbeschluss nicht als Klimaschutz-Vorreiter positioniert“ habe, sei laut dem WWF für das schwache Ergebnis mitverantwortlich. „Als öko-innovatives Land profitiert Österreich von ambitionierten EU-Klimazielen besonders stark. Wer hier zögert und zaudert, schadet der Natur, dem Klima und der Zukunftsfähigkeit unserer Wirtschaft“, sagt Plattner. Umso mehr sei die Bundesregierung jetzt gefordert, ihre Hausaufgaben zu machen. „Wir brauchen eine große Energiespar-Offensive, eine Mobilitätswende und eine komplette Ökologisierung des Steuersystems. Parallel dazu muss der Schutz der Natur auf allen Ebenen verbessert werden, um wertvolle CO2-Speicher zu bewahren“, fordert Plattner.

DNR: Ergebnis ist ein „schwaches Signal“

Auch der Umweltdachverband Deutscher Naturschutzring (DNR) kritisierte das Ergebnis als unzureichend im Kampf gegen die globale Klima- und Biodiversitätskrise und als ein „schwaches Signal“ vor dem internationalen Klimagipfel von US-Präsident Joe Biden.

„Das neue Klimaziel der EU zeigt zwar in die richtige Richtung und bedeutet, dass der Kohleausstieg, der Ausbau der erneuerbaren Energien und die Verkehrswende in Deutschland deutlich mehr Fahrt aufnehmen müssen, bleibt aber hinter den Möglichkeiten der EU zurück“, betont DNR-Präsident Kai Niebert. „Solange die CO2-Emissionen doppelt so groß sind wie die CO2-Senken, wird die Klimakrise andauern. Wirksamer Klimaschutz braucht beides: Senken hoch und Emissionen runter. Der Schutz von Wäldern und Mooren ist von zentraler Bedeutung. Er muss aber zusätzlich zum zügigen Umbau der Wirtschaft erfolgen. Wir können nicht Naturschutz mit Klimaschutz verrechnen.“

Auch mit Blick auf die europäische Demokratie kritisierte der DNR die Entscheidung. „Mit ihrem gestrigen Votum haben Deutschland und andere Mitgliedstaaten das Europäische Parlament, als einzig direkt gewähltes EU-Organ und gleichberechtigen Verhandlungspartner, übergangen. Hätten die nationalen Regierungen das Parlament ernst genommen, wäre echter europäischer Klimaschutz möglich gewesen“, so Niebert.

Jetzt gelte es, über die anstehende Umsetzung nachzubessern. Im Juni wird die EU-Kommission das große Gesetzgebungspaket vorlegen, das dann wiederum zwischen den Mitgliedstaaten und dem EU-Parlament verhandelt wird und das die Umsetzung des neuen Klimaziels in die politische Praxis regeln soll. „Das ‚mindestens‘ vor dem Ziel darf dabei keine leere Worthülse bleiben. Wir erwarten von einer verantwortungsvollen Bundesregierung, dass sie bei den Verhandlungen über die Reform des Emissionshandels und weiterer zentraler EU-Klimagesetzgebungen eine konstruktivere Rolle spielt und eine Politik gestaltet, die beim Umbau für die gesamte Wirtschaft nun endlich den Turbo einschaltet“, fordert Niebert.


OTS-Meldung

Greenpeace

Deutscher Naturschutzring