EU-Lieferkettengesetz: Neue Spielregeln für Unternehmen
Während des Trilogs drängte insbesondere das Parlament auf ein ambitioniertes Gesetz, das offiziell als Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD) bekannt ist. Es verpflichtet Unternehmen dazu, ihre Lieferketten auf mögliche Risiken im Zusammenhang mit Menschenrechtsverletzungen und Umweltauswirkungen zu überprüfen, und geht deutlich über das deutsche Lieferkettengesetz hinaus.
Unternehmen werden nun verpflichtet, ihre Lieferketten auf Risiken für Menschenrechtsverletzungen und Umweltzerstörungen zu überprüfen. Im Falle identifizierter Risiken sind sie dazu angehalten, geeignete Gegenmaßnahmen zu ergreifen, um potenzielle Schäden zu verhindern oder zu minimieren. Das Gesetz gilt für Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten und einem Nettoumsatz von über 150 Millionen Euro. Zum Vergleich: Der Anwendungsbereich des deutschen Lieferkettengesetzes ist wesentlich enger gefasst, da es nur für sehr große Unternehmen mit mindestens 3.000 Mitarbeitenden gilt (ab dem 01.01.2024: 1.000 Mitarbeitende). Auch Nicht-EU-Unternehmen werden erfasst, sofern sie drei Jahre nach Inkrafttreten der Richtlinie einen Nettoumsatz von 300 Millionen Euro in der EU erwirtschaften. Kleine und mittlere Unternehmen sind größtenteils ausgenommen, es sei denn, sie sind Teil der Wertschöpfungskette größerer Unternehmen oder agieren in als Risikosektoren definierten Bereichen wie dem Handel mit Edelsteinen.
Die Einigung ermöglicht Menschen, deren Rechte verletzt wurden, sich sowohl in verwaltungsrechtlichen Verfahren als auch vor Zivilgerichten über Verstöße gegen unternehmerische Sorgfaltspflichten zu beschweren. Dabei wurden Beweiserleichterungen, gesenkte Verfahrenskosten und eine Frist von fünf Jahren zur Geltendmachung von Ansprüchen festgelegt, um Betroffenen die Durchsetzung ihrer Ansprüche zu erleichtern.
Außerdem müssen Unternehmen Klimaschutzpläne erstellen und umsetzen, um sicherzustellen, dass ihre Geschäftsaktivitäten mit dem 1,5-Grad-Ziel des Pariser Klimaabkommens im Einklang stehen. Allerdings fehlen konkrete Kontroll- oder Sanktionsmechanismen für die Umsetzung dieser Verpflichtung.
Bei Verstößen gegen die Richtlinie drohen Sanktionen, darunter Strafen von bis zu fünf Prozent des weltweiten Umsatzes. Diese sollen sicherstellen, dass Unternehmen ihre neuen Verpflichtungen ernst nehmen und in der Umsetzung der Sorgfaltspflichten gewissenhaft agieren.
Die Sorgfaltspflichten der Richtlinie gelten vorläufig nicht direkt für Finanzdienstleistungen wie Anlage- und Kreditgeschäfte. Eine Überprüfung und Analyse der Auswirkungen auf den Finanzsektor ist vorgesehen, mit der Option, diesen später einzubeziehen. Trotzdem sollen Finanzunternehmen zur Erstellung und Umsetzung von Klimaplänen verpflichtet werden.
Die Einigung stieß auf gemischte Resonanz. Die Entwicklungs- und Umweltorganisation Germanwatch bewertet das Gesetz als „Meilenstein hin zur notwendigen Transformation der europäischen Wirtschaft“, während die Initiative Lieferkettengesetz in der Richtlinie gar einen europaweiten Paradigmenwechsel sieht. Industrieverbände dagegen äußern Bedenken. Sie sehen das Gesetz als Belastung für die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie. Dabei dürften Unternehmen, die ihre Pflichten gemäß dem deutschen Lieferkettengesetz gewissenhaft umsetzen, keine schwerwiegenden Wettbewerbsnachteile befürchten. Michael Windfuhr, stellvertretender Direktor des Deutschen Instituts für Menschenrechte (DIMR), ist überzeugt, dass das Gesetz im Gegenteil dazu beitragen werde, die unfaire Konkurrenz zwischen Unternehmen zu beenden. Unternehmen, die Menschenrechtsstandards einhalten, würden nicht mehr im Wettbewerb benachteiligt werden im Vergleich zu solchen, die diese Standards bislang missachten.
Trotz des Erfolgs betonen NGOs die weiterhin bestehende Lücken im Gesetz. Insbesondere die vorübergehende Ausnahme von Finanzdienstleistungen aus den Sorgfaltspflichten wird kritisiert, wobei auf die bedeutende Hebelwirkung des Finanzsektors verwiesen wird. „Europäische Finanzinstitute tragen durch ihre Investitionen und Kredite erwiesenermaßen massiv zu Menschenrechtsverletzungen und Umweltschäden bei“, kritisiert Finn Schufft, Referent für Unternehmensverantwortung bei Germanwatch. Andersherum können Finanzinstitutionen durch gezielte Investitionen und Kreditvergabe positive Veränderungen in der realen Wirtschaft bewirken, kommentiert Windfuhr (DIMR) die Ausnahmeregelung. Die Entscheidung zur Ausnahme des Finanzsektors wurde vor allem auf Drängen der französischen Regierung getroffen.
Die Einigung muss noch von dem Europäischen Rat und dem EU-Parlament bestätigt werden, in Brüssel weitgehend eine Formsache. Die Mitgliedstaaten haben dann etwa zwei Jahre Zeit, die Richtlinie in nationales Recht umzusetzen. In Deutschland müssen das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz und weitere Gesetze an die neuen EU-Vorgaben angepasst werden. [Quelle: ks, DNR]
Pressemitteilung Initiative Lieferkettengesetz
Euractiv EU-Lieferkettengesetz