EU steigt auf die Energiepreisbremse

Die Europäische Union will historische Eingriffe in den Energiemarkt vornehmen, um die steigenden Preise einzudämmen. Dabei erwägt die EU auch eine Abgabe auf überschüssige Gewinne und Gaspreisobergrenzen. Das geht aus einem Dokument hervor, das dem Brüsseler Playbook von POLITICO am 4. September zur Verfügung gestellt wurde.

Expert:innen der Europäischen Kommission, in den Hauptstädten der Länder und in den Botschaften haben am ersten September-Wochenende daran gearbeitet, Pläne für einen Notfalleinsatz zum Schutz von Haushalten und Unternehmen zu beschleunigen. Zahlreiche führende Politiker warnen vor massiven sozialen Unruhen, wenn die Preise nicht unter Kontrolle gebracht werden.

Dem Dokument zufolge warnt die tschechische EU-Ratspräsidentschaft davor, dass Russlands Invasion in der Ukraine, Moskaus anhaltende Kürzungen der Energieversorgung und die jüngste vollständige und unbestimmte Unterbrechung der Nord Stream-Pipeline den Anstieg der Inflation fördern und schwerwiegende Auswirkungen auf alle Unternehmen und Verbraucher:innen haben werden.

Die Nord Stream-Nachrichten ließen den Gaspreis am niederländischen Benchmark-Hub TTF am 5. September um 31 Prozent auf 281 Euro pro Megawattstunde steigen. Als Reaktion darauf forderte  die tschechische Ratspräsidentschaft die EU-Energieminister:innen auf zu erklären, welche Maßnahmen sie zu unterstützen bereit sind.

Obwohl die angekündigte „Wartung” bereits erfolgt sein sollte, fließt aktuell kein Gas durch Nord Stream 1. Laut Gazprom lag zunächst die Schuld bei einem Ölleck, später räumte der Kreml ein, dass die Sanktionen der Grund dafür war. Es soll erst wieder Gas durch die Pipeline fließen, wenn die Europäische Union seine Sanktionen gegen Russland beendet.

Brüssel will Preis von russischem Gas deckeln

Die mitteleuropäischen Regierungen sind dafür, dass die EU zusätzliche Treibhausgasemissionszertifikate aus dem Emissionshandelssystem freigibt, wenn der Preis über eine bestimmte Schwelle steigt. Allerdings ist das ein Vorschlag, den die Europäische Kommission entschieden ablehnt.

Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen will die Vorschläge in ein Paket aus Sofortmaßnahmen und längerfristigen Reformen aufteilen. Brüssel wird demnach einige dieser weitreichenderen Ideen, auf welche die Staats- und Regierungschefs drängen, aber auf die sich die Länder nicht schnell einigen können (wie eine spanische Idee zur Einführung einer Gassubvention oder die mitteleuropäische Forderung nach einer Begrenzung der Emissionspreise), auf einen späteren Zeitpunkt verschieben.

„Ich bin der festen Überzeugung, dass es jetzt Zeit für eine Preisobergrenze für russisches Pipelinegas nach Europa ist“, sagte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am 2. September. „Eine Gaspreisobergrenze kann auf europäischer Ebene vorgeschlagen werden, und es gibt auch eine rechtliche Grundlage auf europäischer Ebene, um in Krisenzeiten vorübergehend Gewinne abzuschöpfen“, fügte sie hinzu.

Die tschechische Ratspräsidentschaft hat eine Liste mit Vorschlägen aus der gesamten EU zusammengestellt, die vor der außerordentlichen Tagung des Rates „Verkehr, Telekommunikation und Energie“ am 9. September geprüft werden sollen. Sie hofft nun, dass die Länder auf dem Energierat eine Reihe von Vorschlägen – einschließlich der Strompreisobergrenze – billigen und die EU-Kommission mit der Ausarbeitung von Rechtsvorschriften auf der Grundlage von Artikel 122 des Vertrags über die Arbeitsweise der EU beauftragen. Diese ermöglichen es den Ländern, Notfallmaßnahmen zu vereinbaren ohne die Notwendigkeit, das Europäische Parlament einzubeziehen, sagten Diplomat:innen.

Staats- und Regierungschefs der EU-Staaten sowie der Präsident des Europäischen Rates, Charles Michel, haben angesichts steigender Lebenshaltungskosten die EU-Kommission zum Handeln aufgefordert. Laut den Beamten wird die endgültige Entscheidung voraussichtlich bis zu von der Leyens jährlichen Rede zur Lage der Europäischen Union am 14. September beschlossen.

Europäisches Umweltbüro wendet sich mit offenem Brief an Energieministerrat

Am Freitag werden sich die 27 Energieminster:innen der EU in Brüssel über die Vorschläge der Kommissionspräsidentin beraten. Vor diesem Hintergrund hat sich das Europäische Umweltbüro in einem  offenen Brief an die Energieminister:innen gewandt. In dem Brief drückt der Generalsekretär des EEB Patrick ten Brink seine Sorgen über die von der Kommissionspräsidentin vorgestellten Maßnahmen aus. Weder gehe die EU die Herausforderungen an, die mit der reduzierten Verfügbarkeit fossiler Brennstoffe einhergehe, noch reichten die Maßnahmen aus, um den europäischen Klimaschutzverpflichtungen gerecht zu werde, so ten Brink. Subventionen und Preisobergrenzen bergen die Gefahr, den Verbrauch von fossilen Energien zu erhöhen, die Klimaziele zu gefährden und die Versorgungssicherheit zu beeinträchtigen, heißt es in dem Brief. 

Nach den Beratungen der Energieminister:innen plant die Kommission am kommenden Dienstag, konkrete Vorschläge zur Bekämpfung der Energiekrise vorzulegen. [Quelle: DNR]

Wie stehen EU- Bürger.innen zur aktuellen Energiepolitik?

Die neueste Umfrage des Eurobarometer vom Sommer 2022 zeigt, dass der Großteil der europäischen Bevölkerung die Investitionen in erneuerbare Energien und die Maßnahmen der EU zur Verringerung der Abhängigkeit von fossilen Energieträgern aus Russland unterstützt. Auch das Vertrauen der Bürger*innen in die EU ist in den vergangenen Monaten gestiegen. Weitere Ergebnisse der letzten Meinungsumfrage in den EU-Mitgliedstaaten können Sie hier nachlesen. [lw. Quelle: DNR]

 

EU-Kommission: Gedrosselte Gasversorgung und hohe Strompreise

Politico: EU plans to slam brakes on energy prices this week

Euractiv: Europa Kompakt - Brüssel will Preis von russischem Gas deckeln

EEB Offener Brief

Umfrage des Eurobarometer vom Sommer 2022