EURACTIV: Elektrofahrzeug-Markt vor Stagnation

 

Einerseits steigen die Verkaufszahlen von Elektrofahrzeugen stark an. Tesla, der wohl bekannteste Elektrofahrzeughersteller der Welt, ist inzwischen auch das wertvollste Automobilunternehmen der Welt. Andererseits stellt eine Untersuchung des Internet-Nachrichtenportals EURACTIV über die Akzeptanz von Elektrofahrzeugen auf dem gesamten Kontinent einen anhaltenden Boom an E-Autos in Frage und offenbart ernsthafte Hindernisse für die Akzeptanz von Elektrofahrzeugen in Ost- und Südeuropa.

„Ein schlecht entwickelter Gebrauchtwagenmarkt für Elektrofahrzeuge, Verwirrung über Abos für Ladedienste und Bedenken über die Abnutzung der Batterien behindern weiterhin die Akzeptanz von Elektrofahrzeugen“, erklärt EURACTIV. Zudem werden hohe Anschaffungskosten und eine fehlende Ladeinfrastruktur als Probleme genannt.

E-Autos und Plug-in-Hybride liegen bereits vor den Dieselfahrzeugen

Personenkraftwagen und Kleintransporter verursachen rund 12 % der in der EU ausgestoßenen CO2-Emissionen. Deshalb werden Elektrofahrzeuge als ein wichtiges Mittel zur Verringerung der Verkehrsemissionen in Europa angesehen. Im vergangenen Jahr entfielen etwa 11 % aller Neuzulassungen in Europa auf Elektrofahrzeuge, 2019 waren es erst 3,5 %. Aktuelle Zahlen des Automobilherstellerverbands ACEA zeigen, dass im dritten Quartal 2021 9,8 % der EU-Verkäufe auf batterieelektrische Fahrzeuge und 9,1 % auf Plug-in-Hybridfahrzeuge entfielen. Somit übertreffen sie zusammen den Anteil der Dieselfahrzeuge (17,6 %). Benzinbetriebene Fahrzeuge machen noch knapp 40 % aller verkaufter Fahrzeugen aus.

EURACTIV führt das Wachstum der Verkäufe von Elektrofahrzeugen auch auf die Gesetzgebung – sowohl auf nationaler als auch auf europäischer Ebene – zurück. Diese ziele darauf ab, den Einsatz fossiler Brennstoffe einzuschränken. Im Juli hatte die Europäische Kommission Vorschläge vorgelegt, welche den Verkauf von neuen, CO2 ausstoßenden Automobilen und Lieferwagen ab 2035 verbieten und damit das Ende des Verbrennungsmotors einläuten würden. Diese Maßnahme entspricht den Plänen der EU, die Treibhausgasemissionen in der EU bis 2030 um 55 % zu senken und bis 2050 einen Netto-Null-Ausstoß zu erreichen.

Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen versicherte den Europäern in ihrer Rede zur Lage der Union 2021, dass „der Wandel bereits stattfindet“. Dabei verwies sie auf die Tatsache, dass in Deutschland im ersten Halbjahr 2021 mehr Elektrofahrzeuge als Dieselfahrzeuge zugelassen werden. „Ich glaube, dass die Entwicklung hin zu Elektrofahrzeugen viel schneller voranschreitet, als irgendjemand erwartet hätte“, hatte EU-Klimachef Frans Timmermans Anfang des Jahres gesagt.

Finanzielle Anreize bei E-Auto-Kauf für Private wenig attraktiv

„In der gesamten EU wird der Kauf von Elektrofahrzeugen durch Steuererleichterungen und Subventionen gefördert. Doch Durchschnittsverbraucher, die nicht auf Buchhalter und Anwälte zurückgreifen können, haben oft Schwierigkeiten, die komplexen Anforderungen zu erfüllen“, erklärt EURACTIV auf seiner Website. Ein wesentlicher Teil der Einführung von Elektrofahrzeugen sei auf Unternehmen zurückzuführen, die finanzielle Anreize nutzen, um die Abkehr von umwelt und klimaschädlichen Fahrzeugen zu fördern. Insgesamt machen Unternehmensflotten ungefähr 20 % der Fahrzeuge in Europa aus.

In Rumänien kostet das günstigste Elektrofahrzeug über 30.000 Euro. Dies stelle nach EURACTIV auf einem Markt, auf dem jedes Jahr viermal mehr Gebrauchtwagen als Neuwagen zugelassen werden, eine „enorme Belastung“ dar. Auch in Bulgarien ist die Situation für den E-Auto-Markt schwierig. In diesem Land herrsche laut EURACTIV die Meinung vor, dass es nicht genügend Anreize für einen Umstieg auf Elektroautos gebe, weil diese im Vergleich zu Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor als unpraktisch empfunden werden.

Die österreichische Bundesregierung hat im Juni ein Anreizsystem für Verbraucher eingeführt, das den Kauf von Elektroautos mit 5.000 Euro pro Fahrzeug subventioniert. Das Anreizsystem, das finanzielle und steuerliche Vergünstigungen vorsieht, ist aber eher bei Unternehmen als bei Privatpersonen beliebt.

Fazit von EURACTIV: Nur eine stärkere finanzielle Unterstützung und ein „größeres Augenmerk auf die Ängste und Sorgen“ der Durchschnittsverbraucher*innen könne verhindern, dass die Revolution der E-Mobilität in weiten Teilen Europas weiter ins Stocken gerät.

Euractiv: Elektrofahrzeuge: für viele Europäer lediglich eine Illusion