Europäischer Rechnungshof: Lebensmittel-Kennzeichnung in der EU oft irreführend
Die Verbraucher:innen können bei den vielen verschiedenen Angaben auf Lebensmitteln leicht den Überblick verlieren, kritisieren die EU-Prüfer:innen in einem Bericht. Die Lebensmittelkennzeichnung soll den Menschen helfen, beim Einkaufen fundierte Entscheidungen zu treffen. Die europäischen Verbraucher:innen würden jedoch mit immer mehr Versprechen, Logos, Slogans, Gütesiegeln und Bewertungen bombardiert, die nicht nur verwirrend, sondern geradezu irreführend sein können. Etiketten enthalten Informationen über den Inhalt und die Eigenschaften von Lebensmitteln. Oft sollen sie auch durch die Betonung angeblicher Vorteile wie "gesund", "Bio" oder "glutenfrei" Produkte attraktiver machen. Die EU-Vorschriften stellten nach Einschätzung der Prüfer:innen zwar sicher, dass die Etiketten grundlegende Informationen für die Verbraucher:innen enthielten, was ein guter Ausgangspunkt sei. Sie stießen jedoch auch auf eine Reihe besorgniserregender Lücken in den Rechtsvorschriften sowie Probleme bei Kontrollen und Sanktionen.
Tatsächlich, so die Prüfer:innen, könnten die lückenhaften EU-Rechtsvorschriften der Täuschung der Verbraucher:innen Vorschub leisten. So ermöglichten es die EU-Vorschriften, selbst auf Produkten mit hohem Fett-, Zucker- oder Salzgehalt nährwert- und gesundheitsbezogene Vorteile hervorzuheben. Beispielsweise könnten zuckerhaltige Produkte wie Energieriegel als High-Protein-Produkte beworben werden. Die Nutzung der Aufschrift "vegan" oder "vegetarisch" sei nicht reglementiert, da es keine EU-weite Definition für solche Erzeugnisse gebe. Angaben zum Nährwert auf der Vorderseite von Verpackungen wie Nutri-Score, NutrInform und Keyhole würden nicht in allen EU-Ländern genutzt, da sich keins der Systeme durchgesetzt habe. Standardisierte Vorschriften könnten den Verbrauchern jedoch dabei helfen, gesündere Lebensmittel zu erkennen, und möglicherweise ernährungsbedingten Krankheiten vorbeugen. Stattdessen habe in den EU-Ländern das Nebeneinander verschiedener Systeme mit jeweils unterschiedlicher Aussage und Zielsetzung genau den gegenteiligen Effekt: die Verbraucher:innen zu verwirren, anstatt ihnen als Orientierung zu dienen. Diese Tendenz werde durch die Flut freiwilliger Labels, Logos und Angaben, die die Verbraucher:innen zum Kauf verleiten sollen, noch verstärkt. Dazu gehörten sogenannte "Clean Labels" über das Fehlen bestimmter Inhaltsstoffe (z. B. "antibiotikafrei") und nicht zertifizierte Eigenschaften wie "frisch" oder "natürlich", aber auch eine breite Palette umweltbezogener Aussagen, die Greenwashing gleichkämen. Mit den aktuellen Vorschriften könnten solche Praktiken nicht unterbunden werden, bedauern die Prüfer.
Die Aufklärung der Verbraucher:innen scheine, wie die Prüfer:innen feststellten, trotz dieser Kritik keine hohe Dringlichkeit zu besitzen. Die EU habe zwischen 2021 und 2025 nur rund 5,5 Millionen Euro für Sensibilisierungskampagnen zur Lebensmittelkennzeichnung zur Verfügung gestellt, und die EU-Länder hätten solche Kampagnen nur sporadisch durchgeführt. Lebensmittelunternehmen könnten außerdem schwache Kontrollen und Sanktionen ausnutzen. Bei vorgeschriebenen Angaben funktionierten die Kontrollen in der Regel zwar gut. Freiwillige Angaben wie nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben oder der Online-Verkauf von Lebensmitteln (der seit der Pandemie erheblich zugelegt hat) würden jedoch – wenn überhaupt – nur selten überprüft, und Websites außerhalb der EU entzögen sich fast jeglicher Kontrolle. Zudem seien die bei Verstößen verhängten Bußgelder nach Ansicht der Prüfer häufig nicht abschreckend, wirksam oder verhältnismäßig.