Forum für Umwelt und Entwicklung: Zwischenfazit zu dem europäischen Green Deal
Seit Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen 2019 den europäischen Green Deal vorgestellt hat, sind zahlreiche Gesetze zwischen EU-Kommission, EU-Parlament und Minister:innenrat verhandelt worden. Bei aller Kritik an dem, was noch fehlt, um diesen Marathon erfolgreich zu meistern, ist es trotzdem wichtig, die Erfolge anzuerkennen. Ein großer Erfolg ist das „Fit-for-55“-Paket, ein Gesetzesbündel zur Klima- und Energiepolitik der EU für dieses Jahrzehnt, das sicherstellen soll, dass die EU ihr Klimaziel von mindestens 55 Prozent Reduktion der Treibhausgasemissionen bis 2030 erreicht. Der Green Deal geht aber deutlich über das „Fit-for-55“-Paket hinaus. Zu Beginn der Legislatur hat die EU-Kommission noch einige gute Impulse gesetzt, insbesondere mit der Farm-to Fork-Strategie zur nachhaltigeren, gesünderen Produktion von Lebensmitteln und der Vermeidung von Lebensmittelverschwendung, der Biodiversitätsstrategie zum Schutz und zur Wiederherstellung der Artenvielfalt und dem Aktionsplan Kreislaufwirtschaft zur Minderung des Ressourcenverbrauchs. Jedoch wurden nur Teile dieser Strategien und Pläne umgesetzt. Im Naturschutz ist hier vor allem das EU-Renaturierungsgesetz zu nennen. Auch wenn das Gesetz auf der Zielgerade noch stark verwässert wurde, ist es trotzdem ein wichtiger Baustein des Green Deals, der in der nächsten Legislatur mit finanziellen Mittel gestärkt werden muss. Bei der Kreislaufwirtschaft sind Erfolge unter anderem das Recht auf Reparatur und die Ökodesign-Verordnung, mit der das Recycling von Produkten gestärkt und die Vernichtung unverkäuflicher Textilien verboten werden. Auch die noch nicht zu Ende verhandelte Verpackungsverordnung, die Verpackungsabfälle reduzieren soll, könnte ein wichtiger Baustein für die Kreislaufwirtschaft sein.
Klimaschutz ja, Natur-, Tier- und Umweltschutz Jein
Allerdings scheint der Wille bei bestimmten Gesetzesideen des Green Deals – insbesondere zur Eindämmung der Biodiversitätskrise – auch in der EU-Kommission zu schwinden: So hat die EU-Kommission anders als ursprünglich angekündigt, die im Green Deal vorgesehene Revision der EU-Chemikalienverordnung REACH aufgegeben und sich damit von der Vision einer giftfreien Umwelt verabschiedet. Wichtige Initiativen wie das angekündigte Gesetz für nachhaltige Ernährungssysteme, eine Verordnung zur besseren Regulierung von Pestiziden sowie die Überarbeitung der europäischen Tierschutzgesetzgebung hat die EU-Kommission nicht mehr vorgelegt bzw. zurückgezogen. Auch bei den vorgeschlagenen Gesetzen gab es einige Rückschläge. So ist beispielsweise das Bodenschutzgesetz in eine zahnlose Richtlinie zur Bodenüberwachung degradiert worden. Auch in der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) will die EU-Kommission aktuell Mindeststandards zum Schutz der Umwelt abbauen.
Ein Blick in die Zukunft des europäischen Green Deals
Die EU hat mit dem Green Deal gut gestartet. Doch jetzt braucht es Durchhaltevermögen. Es bedarf einer konsequenten und ambitionierten Umsetzung und einer Weiterentwicklung in der nächsten Legislaturperiode, damit die EU klimaneutral, nachhaltig und resilient wird. Dafür sind die EU-Wahlen im Juni 2024 und das kommende Arbeitsprogramm der dann neuen EU-Kommission entscheidend. Zentral wird hier sein, die sozial-ökologische Transformation mit starken Initiativen voranzubringen, indem beispielsweise die Landwirtschaft ökologischer, sozialer und klimafit gemacht oder der Verkehrssektor elektrifiziert und auf die Schiene gesetzt wird. Wichtig ist, sämtliche Finanzmittel klar an die Erfordernisse zur Realisierung des europäischen Green Deals anzupassen und mehr Konsistenz zwischen öffentlicher Umwelt- und Finanzpolitik zu schaffen. All das fordern 95 DNR-Mitgliedsorganisationen in ihren Europawahlforderungen. Die Rechtextremen und -konservativen Fraktionen könnten im nächsten EU-Parlament einen riesigen Zuwachs bekommen, eine Mehrheit für mehr Klima- und Umweltschutz wird dann immer unwahrscheinlicher. Gerade angesichts dieses rasanten Zuwachses an rechtspopulistischen und europafeindlichen Kräften müssen die europäischen Bürger:innen und Parteien jetzt alles daran setzen, die Demokratie zu stärken, nicht zuletzt, um die konsequente Weiterführung und Umsetzung des europäischen Green Deals sicherzustellen.