Forum Umwelt und Entwicklung: Reduktion und Mehrwegsysteme zuerst
Die Produktion und Nutzung von Plastik hat in den letzten 75 Jahren so stark zu genommen, dass das Material mittlerweile ein eigenes Zeitalter definiert. Wir leben im Plastozän mit allen Fortschritten, die uns der Kunststoff brachte, aber auch den unzähligen Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit und die Umwelt. Aktuelle Trends sagen eine enorme Steigerung der Produktion voraus, obwohl schon jetzt klar ist, dass Plastik unseren Planeten vermüllt. Ein „Weiter so“ wie bisher kann es nicht geben. Die enormen Ausmaße der Plastikkrise sind überall sichtbar: Plastik ist im Wasser, in der Luft, im Boden, in Nahrungsmitteln und in den meisten Lebewesen nachweisbar. Plastik ist langlebig und baut sich nicht ab. Stattdessen zerfällt es in immer kleinere Teile, Mikro- und Nanoplastik, das sich überall ansammelt und sogar die menschliche Plazenta durchdringen und die Blut-Hirn-Schranke überwinden kann. Entlang des gesamten Lebenszyklus der Substanz, von der Produktion bis zur Entsorgung, werden klimaschädliche Emissionen und schädliche Chemikalien freigesetzt.
Wer treibt die Produktion an?
Die fossile und die petrochemische Industrie sind eng miteinander verknüpft und investieren Milliarden in die Ausweitung der Plastikproduktion. Multinationale Konzerne wie Exxon Mobil, ENI, BASF und INEOS fahren jährlich Gewinne in Milliardenhöhe ein. Daher verwundert es wenig, dass die Plastikproduktion in den kommenden Jahren noch um bis zu 40 Prozent gesteigert werden soll. Die Verpackungsindustrie ist einer der größten Abnehmer von Kunststoffen. Riesige Konsumgüterkonzerne wie Coca-Cola, Nestlé und PepsiCo u.a. beziehen allesamt Verpackungen von Herstellern, die von der fossilen Plastikindustrie mit Kunststoffgranulat und petrochemischen Produkten versorgt werden. Sie treiben die gigantische Expansion der Plastikproduktion voran und überfluten den Planeten mit Unmengen an Plastikmüll. 2019 wurden weltweit über 465 Millionen Tonnen Plastik produziert, bereits doppelt so viel wie im Jahr 2000. Laut einer Studie wird sich die Menge der weltweiten Kunststoffabfälle bis 2060 fast verdreifachen. Seit 1950 wurden global mehr als 8 Milliarden Tonnen Plastikmüll produziert. Während nur 11 Prozent davon recycelt und 15 Prozent verbrannt wurden, sind 74 Prozent in der Umwelt und auf Deponien gelandet. Dieser Trend setzt sich fort. Die Plastikverschmutzung unserer Ökosysteme verringert nicht nur deren Fähigkeit, sich an den Klimawandel anzupassen, sondern trägt auch erheblich zum Verlust von Biodiversität bei und zieht unzählige Arten in Mitleidenschaft.
Recycling als drittbeste Option
2019 wurden laut OECD weltweit nur 9 Prozent Plastik recycelt. Plastikrecycling ist kein einfaches Unterfangen. Recycling ist für Verpackungen aber ohnehin nach Vermeidung und Mehrweglösungen nur die dritte Wahl, auch wenn der Handel das anders sieht.
Wege aus der Plastikkrise
Plastikproduktion und -verbrauch müssen also dringend sinken, die Prognosen gehen jedoch von einer Verdreifachung des Plastikverbrauchs bis 2060 aus. Dabei gibt es bereits viele Lösungsansätze: Mit klugem Design könnten viele Produkte wesentlich langlebiger werden, auch Verpackungen könnten weit weniger materialaufwendig gestaltet werden. Einwegverpackungen beispielsweise für Kosmetika und Lebensmittel können und müssen durch Mehrwegsysteme ersetzt werden. Wenn diese so harmonisiert sind, dass Verpackungen überall abgegeben werden können, wie wir es in Deutschland beispielsweise von Mineralwasser- und Bierflaschen kennen, werden sie auch genutzt. Viele Produkte könnten auch unverpackt verkauft werden. Aber ohne politische Regulierung wird das nicht gehen und hier liegen gerade große Hoffnungen auf der von den Vereinten Nationen beschlossenen Resolution zu einem globalen Abkommen gegen Plastikverschmutzung. Die Verhandlungen dazu sind noch in vollem Gange, aber wenn es gelingt, ein globales, rechtlich verbindliches Abkommen zu schließen, das am Beginn der Produktionskette von Kunststoffen ansetzt, die beigefügten Chemikalien reguliert und die besonders betroffenen Gruppen einbezieht, könnte die Welt der Lösung ein Stück näherkommen.