Geplante polnische Atomkraftwerke ernten Kritik aus Österreich und Deutschland

27. Feb 2020

Im November 2018 hatte die polnische Regierung einen Entwurf zu ihrem nationalen Klimaplan 2040 vorgelegt. Darin vorgesehen ist der Bau von sechs neuen Atomkraftwerken, von denen zwei an der Ostseeküste in den Orten Żarnowiec oder Kopalino entstehen sollen. In den Jahren 2024 bis 2043 sollen so neun Gigawatt Atomstrom in Polen ans Netz gehen, die Kraftwerke haben eine geschätzte Lebensdauer von 60 bis 80 Jahren. Schon 2033 könnte der erste Block ans Netz gehen, so der Plan. Der Ausbau der Atomenergie soll den Kohleabbau in Polen als Energielieferant ablösen.

Im Fall großer Bauprojekte wie eines Atomkraftwerkes sind Staaten normalerweise verpflichtet, eine grenzüberschreitende Umweltverträglichkeitsprüfung anzufertigen. So sieht es die sogenannte Espoo-Konvention der UN vor, die 1991 in der gleichnamigen finnischen Stadt unterzeichnet wurde. Staaten, die sich um mögliche Umweltschäden eines Bauprojektes sorgen, können außerdem eine Konsultation bei dem betroffenen Staat beantragen.

Laut des Onlinemagazins-Euractiv ist dies im Falle der polnischen Atomkraftwerke aber nicht geschehen. Es hatte zwar eine strategische Umweltverträglichkeitsprüfung für die Energiestrategie 2040 stattgefunden; aber nach einem Schreiben des zuständigen polnischen Staatssekretärs Artur Soboń der EUR habe man „keine potentiell signifikanten Umwelteinflüsse auf andere Mitgliedsstaaten“ feststellen können. Da von deutscher Seite aus kein Antrag auf eine weitere Umweltprüfung eingegangen war, habe man bisher keinen Anlass dafür gesehen.

Obwohl geografisch deutlich weiter entfernt, macht man sich in Wien schon länger Gedanken über die polnischen Atompläne und forderte vor etwa einem Jahr eine grenzüberschreitende Folgenprüfung an. Vor zwei Wochen wurde sie abgeschlossen, inzwischen liegt dazu eine Fachstellungnahme des österreichischen Umweltbundesamtes vor.

Sie äußert durchaus Besorgnis über einige Punkte der polnischen Bauprojekte. Zum einen sei noch ungeklärt, was mit dem radioaktiven Abfall geschehen solle, zum anderen fehle es an einer Strategie für mögliche Folgen für das Ausland, sollte es zu einem Unfall oder Angriff auf die Atomkraftwerke kommen. Außerdem ist für eines der Kraftwerke ein Hochtemperaturreaktor vorgesehen, für den es kein internationales Regelwerk gäbe.

Das Argument Polens, dass bereits 2011 eine erste Umweltprüfung für das polnische Nuklearprogramm keine grenzüberschreitenden Auswirkungen der Kernkraftwerke festgestellt habe, sei nichtig, schreibt das Umweltbundesamt: Denn in den letzten Jahren hätte sich insbesondere durch den Unfall in Fukushima die Bewertung von Sicherheit und Risiken von Kernkraftwerken verändert.

In Berlin prüft man derzeit, ob auch Deutschland noch einen Antrag auf eine Konsultation stellen soll, heißt es in dem Schreiben des Staatssekretärs aus dem Wirtschaftsministerium. Aber der Grünen-Bundestagsfraktion genügt das nicht, Kotting-Uhl reichte am 11. Februar Beschwerde bei der zuständigen UN-Wirtschaftskommission für Europa ein, die grenzüberschreitende Umweltfolgenprüfungen überwacht.

Die Bundesregierung sollte im Vorfeld der EU-Ratspräsidentschaft „ihre Vorreiterrolle im Sinne des Europaweiten Atomausstieges endlich annehmen und entschlossen handeln“, meint sie.

Doch das ändert nichts an der Lage, dass Polen wohl auf Atomkraft angewiesen sein wird. Denn das Land bezieht derzeit noch knapp 80 Prozent seiner Energie aus Kohle und steht unter Druck, seine CO2 Emissionen drastisch zu senken.

 

Euractiv: Polens erste Atomkraftwerke in der Kritik