Germanwatch kritisiert EU-Verordnung für entwaldungsfreie Produkte
Der EU-Rat und die Kommission der Europäischen Union sowie das Europäische Parlament haben sich am 6. Dezember, einen Tag vor Beginn der 15. UN-Weltnaturkonferenz, auf einen Gesetzestext geeinigt. Dieser wird Unternehmen dazu verpflichten, nachzuweisen, dass für die Produktion gewisser Agrargüter und Holzprodukte nach Dezember 2020 kein Wald mehr gerodet wurde. Die EU ist nach China durch ihren Import von Soja-, Rindfleisch-, Palmöl-, Kaffee-, Kakao-, Kautschuk- und Holzprodukten der zweitgrößte Importeur von Produkten im Zusammenhang mit Entwaldung.
Gemäß der neuen Verordnung müssen Unternehmen, die spezifische Produkte auf den EU-Markt bringen oder aus der EU exportieren wollen, zukünftig eine Sorgfaltspflichtenerklärung vorlegen: Diese bestätigt, dass für die Produktion weder Wälder gerodet noch Primär- und natürlich wachsende Wälder in Plantagen umgewandelt und die Gesetze des Produktionslandes eingehalten wurden.
Germanwatch: Menschenrechtsabkommen müssten in nationales Recht aufgenommen werden
„Ein großer Schwachpunkt des beschlossenen Gesetzestextes ist allerdings, dass Unternehmen sich lediglich an die Einhaltung der in der Gesetzgebung des Produktionslandes geltenden Menschenrechte halten müssen. Denn wurden internationale Menschenrechtsabkommen im Produktionsland nicht in nationales Recht aufgenommen, müssen die von der Verordnung betroffenen Unternehmen auch nicht nachweisen, dass sie diese einhalten“, kritisiert die deutsche Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch. Diese hätte den Nachweis erfordert, dass international anerkannte Menschenrechte, insbesondere im Hinblick auf indigene Völker und lokale Gemeinschaften, und deren Recht auf freie, vorherige und informierte Zustimmung (FPIC) in jedem Fall eingehalten wurden. „Nur so wären indigene Völker vor Landraub und dem Entzug ihrer Lebensgrundlagen geschützt“, betont Germanwatch auf seiner Website.
In der Tatsache, dass ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens der Verordnung neben Wäldern keine anderen Holzflächen („other wooded land“) vor Umwandlung in Agrarflächen geschützt werden sollen, sieht Germanwatch einen weiteren Schwachpunkt des Gesetzes. Dies hatte das EU-Parlament vorgeschlagen, um wichtige Biodiversitäts- und CO2-Stätten zu erhalten. „Stattdessen sieht die Verordnung nun erst ein Jahr nach ihrem Inkrafttreten die Erarbeitung einer Folgenabschätzung für die Einbindung von ´other wooded land´ vor. Damit sind große Gebiete, wie die Savannen des Cerrados oder Feuchtgebiete wie das Pantanal Brasiliens, zunächst weiterhin von der Umwandlung in Agrar- und Weideflächen für Produkte für die EU gefährdet“, erklärt Germanwatch.
Finanzinstitute nicht in Sorgfaltspflichten eingebunden
Bis zuletzt stellte die seitens des EU-Parlaments geforderte Einbeziehung von Finanzakteur:innen in die Sorgfaltspflichten einen Streitpunkt der Verhandlungen dar. Finanzinstitute werden nun nicht unmittelbar dazu verpflichtet werden, ihre Investitionen auf Entwaldungsrisiken zu prüfen. Stattdessen ist vorgesehen, dass die EU-Kommission zwei Jahre nach Inkrafttreten des Gesetzes eine prüfende Bewertung darüber vorlegt, ob die bestehenden Rechtsvorschriften der EU ausreichen, um die Rolle von Banken, Versicherungen und Pensionsfonds bei der globalen Entwaldung zu bekämpfen.
Gemeinsam mit Climate & Company hat Germanwatch bereits in den vergangenen Monaten bestehende EU-Regularien und EU-Gesetzesvorhaben daraufhin untersucht, ob sie die Finanzierung von Entwaldung verhindern. „Aus unserer Studie geht hervor, dass keine anderen EU-Regulierungsmaßnahmen dem Finanzsektor Sorgfaltspflichten in Bezug auf Entwaldung auferlegen werden. Zusammen mit Partnerorganisationen fordern wir deshalb die politischen Entscheidungsträger:innen auf, durch Offenlegungspflichten von Entwaldungsrisiken sowie Sorgfaltspflichten die gewaltigen Investitionen aus Europa endlich zu unterbinden, die zu Entwaldung für die Agrar- und Energieproduktion beitragen“, so Germanwatch.
Positiv wertet Germanwatch die Aufnahme von Gummi, bedrucktem Papier und Holzkohle
in die Liste der von der Verordnung betroffenen Produkte. Spätestens zwei Jahre nach Inkrafttreten der Verordnung muss die EU-Kommission festlegen, ob in Zukunft weitere Produkte wie Mais, Schweinefleisch und Biodiesel in die Verordnung aufgenommen werden.
Germanwach: Verhandlungen abgeschlossen: EU-Verordnung für entwaldungsfreie Produkte