Gesetz zur Wiederherstellung der Natur: 100 Milliarden Euro für die EU-Mitgliedstaaten

Der Europäischen Umweltagentur (EUA) zufolge befinden sich heute 81 Prozent der geschützten Lebensräume innerhalb der Europäischen Union in einem schlechten Zustand. Intensive Landwirtschaft, Zersiedelung und Umweltverschmutzung üben Druck auf Land und Lebensräume aus.

Mit dem nun vorgeschlagenen EU-Gesetz zur „Wiederherstellung der Natur“ und dem darin festgelegten Ziel, bis 2030 20 Prozent der Land- und Meeresfläche der EU und bis 2050 alle Ökosysteme zu regenerieren, soll dem entgegengewirkt werden.

Die Europäische Kommission hat am 22. Juni das Gesetz zur Wiederherstellung der Natur präsentiert, welches rechtsverbindliche Ziele und 100 Milliarden Euro für die EU-Mitgliedstaaten vorsieht. Ziel der vorgeschlagenen Verordnung ist die Wiederherstellung natürlicher, geschädigter Ökosysteme, insbesondere derjenigen mit dem größten Potenzial zur Kohlenstoffbindung und -speicherung. Darüber hinaus zielt die Verordnung auf die Verringerung der Auswirkungen von Naturkatastrophen im Zusammenhang mit der globalen Erwärmung ab.

In Italien etwa kam es bereits vor Beginn des Sommers zu schweren Dürreperioden und Wasserknappheit, und in Spanien führten heftige Regenstürme zu schweren Überschwemmungen. Angesichts sich häufender extremer Wetterereignisse in Europa soll die Wiederherstellung von Wäldern und Grasland soll dazu beitragen, die durch industrielle Verschmutzung, schlechte Landwirtschaft, Erosion und Klimawandel geschädigten Böden wiederherzustellen.

IPCC: Wiederaufforstung verbessert Wasserrückhaltung

Die Wiederaufforstung dieser Flächen unterstützt die Bindung von Kohlenstoff in den Böden und verbessert die Wasserrückhaltung angesichts der immer extremeren Niederschlagsmuster, erklärt André Faaij, ein niederländischer Wissenschaftler und Mitarbeiter beim Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) der Vereinten Nationen.

„Einige sehen den Krieg als perfekte Ausrede, um die Bremse zu ziehen“, sagte der Vizepräsident der Europäischen Kommission Frans Timmermans, der das neue Gesetz der Presse vorstellte. „Den Krieg in der Ukraine zu nutzen, um Vorschläge zu verwässern und den Europäer:innen Angst zu machen, dass Nachhaltigkeit weniger Lebensmittel bedeuten würde, ist offen gesagt völlig unverantwortlich, denn die Klima- und Biodiversitätskrise starrt uns ins Gesicht. Und jeder europäische Bürger, jede europäische Bürgerin spürt die Auswirkungen täglich, wo auch immer er oder sie lebt“, fügte er hinzu.

Die Vorgaben für die Wiederherstellung der Natur in den verschiedenen Ökosystemen werden für alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union gelten und die bestehenden Gesetze ergänzen. Die ingesamt sieben vorgeschlagenen Ziele sollen das Problem an mehreren Fronten angehen, wie beispielsweise die Umkehrung des Rückgangs der Bestäuberpopulationen bis 2030, die Beendigung des Nettoverlusts an städtischen Grünflächen bis 2030 mit einer anschließenden Steigerung um 5 Prozent bis 2050 und die Beseitigung von Flussbarrieren, sodass bis 2030 mindestens 25.000 Kilometer in frei fließende Flüsse verwandelt werden.

Biologische Vielfalt in Landwirtschaft soll zunehmen

In den landwirtschaftlichen Ökosystemen soll die biologische Vielfalt insgesamt zunehmen und eine höhere Populationen der Schmetterlinge sowie der Vögel im Ackerland erreicht werden.

Zudem werden die Wiederherstellung und die Wiederbefeuchtung entwässerter Moorgebiete, die Förderung der Waldökosystemen sowie von Meereslebensräumen angestrebt. Waldökosysteme und Meeresgebiete gehören ebenfalls zu den Aktionsbereichen. Neben Klimaresistenz zählen Ernährungssicherheit und eine bessere Gesundheit der Menschen zu den wesentlichen Zielen der Maßnahmen.

Die vorgeschlagenen Ziele umfassen:

  1. Die Umkehrung des Rückgangs der Bestäuberpopulationen bis 2030 und Steigerung ihrer Populationen von da an, 
  2. Kein Nettoverlust an städtischen Grünflächen bis 2030, eine Zunahme um 5 Prozent bis 2050, ein Mindestanteil von 10 Prozent an Bäumen in jeder europäischen Stadt und jedem Vorort sowie ein Nettogewinn an Grünflächen, die in Gebäude und Infrastruktur integriert sind, 
  3. In landwirtschaftlichen Ökosystemen: Gesamtanstieg der biologischen Vielfalt und positiver Trend bei Wiesenschmetterlingen, Ackervögeln, organischem Kohlenstoff in Ackerboden-Mineralböden und Landschaftselementen mit hoher Artenvielfalt auf landwirtschaftlichen Flächen, 
  4. Wiederherstellung und Wiederbefeuchtung von entwässerten Torfgebieten, die landwirtschaftlich genutzt werden, und von Torfabbaugebieten.
  5. In Waldökosystemen: allgemeine Zunahme der biologischen Vielfalt und der Verbindung von Wäldern, Totholz, Anteil ungleichaltriger Wälder, Waldvögeln und dem Bestand an organischem Kohlenstoff,
  6. Wiederherstellung von Meereslebensräumen wie Seegras oder Sedimentböden und Wiederherstellung der Lebensräume von bedeutenden Meeresarten wie Delfinen und Schweinswalen, Haien und Seevögeln,
  7. Beseitigung von Flussbarrieren, sodass bis 2030 mindestens 25.000 Flusskilometer frei fließen.

„Bei dem, was wir heute vorstellen, geht es nicht nur um die Natur oder die Schönheit der Natur, auch wenn das natürlich extrem wichtig ist. Es geht um viel mehr“, erklärte EU-Umweltkommissar Virginijus Sinkevičius. „Indem wir die Bodenerosion verhindern, tragen wir zur Ernährungssicherheit bei, nicht nur langfristig, sondern auch für die nahe Zukunft. Wenn man Feuchtgebiete wiederherstellt, vermeidet man Überschwemmungen in den Städten flussabwärts“, betonte Sinkevičius. „Wir wissen jetzt sehr viel über den Klimanutzen von naturbasierten Systemen. Und mit diesem neuen Gesetz können wir damit beginnen, all dies in die Praxis umzusetzen.“

Rund 100 Milliarden Euro sollen nun für Ausgaben im Bereich der biologischen Vielfalt, einschließlich der Wiederherstellung der Natur, zur Verfügung stehen. Der EU-Kommission zufolge bringe jeder Euro, der in die Wiederherstellung der Natur investiert wird, infolge der Ökosystemleistungen zwischen 8 und 38 Euro an Wirtschaftswert.
 

Euractiv: EU präsentiert „Gesetz zur Wiederherstellung der Natur“

Euractiv: Agrarökologie ist keine Option, sondern eine Notwendigkeit