GLOBAL 2000-Lobbyreport: Wer wirklich Meinung macht
Die Umweltschutzorganisation GLOBAL 2000 hat 1.338 Lobbytreffen österreichischer EU-Abgeordneter im Zeitraum von Juli 2024 bis Juli 2025 analysiert. Ziel war es, herauszufinden mit welchen Interessenvertreter:innen sich die österreichischen Abgeordneten im ersten Jahr der neuen Legislaturperiode getroffen haben. Die Analyse zeigt, dass die Treffen mit Interessenvertreter:innen aus Wirtschaft und Industrie klar überwiegen. Fast die Hälfte der Treffen (47 %) fand mit Vertreter:innen aus der Wirtschaft statt. Das sind doppelt so viele Treffen wie mit der Zivilgesellschaft und Arbeitnehmer:innenvertretungen zusammen.
Transparenz fordern, aber nicht liefern
In der EU ist es verpflichtend, dass EU-Mandatar:innen ihre Treffen mit Interessensvertretungen transparent machen müssen. Die Zahlen für Österreichs EU-Abgeordnete könnten dabei unterschiedlicher nicht sein. Blickt man auf die durchschnittlichen Transparenz-Angaben pro Mandatar:in führen die Grünen mit 148,5 transparent gemachten Treffen, gefolgt von der ÖVP (109,6), den NEOS (84,5) und der SPÖ (55,4). Die FPÖ hingegen weist ein deutliches Transparenz-Defizit auf: ihre sechs Abgeordneten geben im Durchschnitt nur rund acht Treffen an – ein klarer Abstand zu allen anderen Parteien.
Wirksames Lobbying von Wirtschaft und Konzernen
Sieht man sich an wen die Mandatar:innen getroffen haben, zeigt sich ein klares Bild: Wirtschaftslobbyisten überwiegen. Die Top-Ansprechpartner:innen der Parteien sind: ÖVP: Wirtschaftskammer, Industriellenvereinigung und ÖAMTC; SPÖ: Arbeiter- und Wirtschaftskammer und ÖGB; Die Grünen: Vertreter:innen der Zivilgesellschaft; NEOS: Verband der Energienetzbetreiber, Wirtschaftskammer und Industriel-lenvereinigung; und FPÖ: Klima- und Wissenschaftsleugner:innen, Impfgegner:innen, Personen mit Kontakten zu Holocaustleugner:innen.
Die getroffenen Interessenvertreter:innen spiegeln sich im Abstimmungsverhalten wider. Im Untersuchungszeitraum fanden mehrere Abstimmungen statt, bei denen eine Aufweichung bzw. Verzögerung der Implementierung des Green Deal beschlossen wurde. Die österreichischen EU-Abgeordneten haben dem mehrheitlich zugestimmt. Beispielhaft sind die Aufschiebung der Entwaldungsverordnung: Zustimmung von allen Parteien mit Ausnahme der Grünen; die Verschiebung des Lieferkettengesetzes: Zustimmung von ÖVP, NEOS und zwei Mandataren der SPÖ. Enthaltung der Grünen; Aufweichung von CO2-Vorschriften für die Autoindustrie: Zustimmung von allen Parteien mit Ausnahme der Grünen. Im Vorfeld dieser Abstimmungen wurden fast ausschließlich Vertreter:innen aus Wirtschaft, Autoindustrie sowie Holz- und Forstwirtschaft getroffen. Die Stimmen von Wissenschaft und Zivilgesellschaft sind bei allen untersuchten Abstimmungen deutlich unterrepräsentiert. Auch die Meinung der österreichischen Bevölkerung scheint keine Rolle zu spielen: Das Lieferkettengesetz wird von 86 % der Bevölkerung unterstützt.
Lobby-Intransparenz in Österreich
Für Abgeordnete im österreichischen Nationalrat oder die österreichischen Ministerien wäre eine solche Analyse indes unmöglich. Entsprechende Transparenzregeln zu Treffen mit Interessenvetretungen fehlen hierzulande nämlich zur Gänze. Im Sinne einer transparenten Politik sollten endlich entsprechende Transparenzvorschriften zu Treffen von Regierungsvertreter:innen, leitenden Angestellten in Ministerien und Nationalratsabgeordneten mit Interessenvertreter:innen erlassen werden.
Das Europäische Parlament ist das einzige direkt gewählte Organ der Europäischen Union. Von den derzeit insgesamt 720 Abgeordneten kommen 20 aus Österreich. Um zu überprüfen, wie die österreichischen Abgeordneten des Europäischen Parlaments zu einzelnen Themen konkret abstimmen, erstellt die Österreichische Gesellschaft für Europapolitik ÖGfE seit Jahren ein Abstimmungsmonitoring.
Abstimmungsmonitoring der Österreichischen Gesellschaft für Europapolitik