Greenwashing-Vorwürfe wegen „nachhaltiger“ Investitionen in Erdgas und Atomstrom

 

Ein Kommissionsentwurf zur Taxonomie der EU-Kommission, die am Silvesterabend versendet wurde, ist europaweit auf Kritik gestoßen. So sei die angekündigte Aufnahme von Atomenergie und Erdgas als „nachhaltige“ Investitionen in die EU-Taxonomie aus Sicht zahlreicher Umweltorganisationen ein grober Fehler. Auch sämtliche im österreichischen Parlament vertretenen Fraktionen sprachen sich im Umweltausschuss in einem Entschließungsantrag dagegen aus, Nuklearenergie im Zuge der EU-Taxonomie-Verhandlungen als nachhaltige und damit förderbare Energieform zu definieren.

„Es ist ein Etikettenschwindel, Atomkraft und Erdgas in der nun vorgeschlagenen Form als nachhaltige Aktivitäten zu kennzeichnen,“ kommentiert Christoph Bals, Politischer Geschäftsführer von der Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch. „Der Übergangszeitraum für die Kennzeichnung als nachhaltig liegt mit dem Jahr 2030 für Erdgas nicht ambitioniert genug. Bei dem Datum handelt es sich nicht um einen festen Ausstiegszeitpunkt, sondern lediglich um das Enddatum der Bewilligungsverfahren. Bei der Atomenergie liegt dieses Datum mit 2045 sogar noch viel weiter in der Zukunft.“

Germanwatch: „Grüngewaschene Taxonomie-Verordnung“

Nach einer ersten Prüfung des 60-seitigen Entwurfs sieht Germanwatch zudem mögliche Schlupflöcher und somit die Gefahr von Greenwashing bei den vorgeschlagenen Bedingungen für Gasinvestitionen.

„Die EU-Kommission droht mit ihrem Plan die Bedeutung der für die notwendige Transformation sehr wichtigen Taxonomie zu untergraben. Bedauerlicherweise lässt die Kommission so zu, dass ein ursprünglich wissenschaftsbasiertes Instrument aus politischen Erwägungen einiger Mitgliedsstaaten zurechtgebogen wird“, sagt Christoph Hoffmann, Referent für klimakompatible Finanzflüsse bei Germanwatch. „Darüber hinaus übersieht die EU komplett die fatale internationale Signalwirkung einer durch ihre Entscheidung grüngewaschenen Taxonomie-Verordnung.“

Die Umweltschutzorganisation Global2000 betont, dass die hochkomplexe Risiko-Technologie Atomkraft keinen sicheren Strom liefere. „Schon im Regelbetrieb kommt es immer wieder zu plötzlichen Ausfällen – wie derzeit auch Frankreich zu seinem Leidwesen feststellen muss.“ Dem Aktienindex „Nasdaq“ zufolge sei der Strompreis in Frankreich wegen des Ausfalls von einem Drittel der Atomkraftwerke fast doppelt so hoch wie in Deutschland. Die französische – weltweit zweitgrößte – AKW-Flotte sei laut Global2000 im Durchschnitt nahezu ein Drittel des Jahres offline, was das französische Stromnetz nach dem aktuellen World Nuclear Industry Report 2021 immer wieder vor große Herausforderungen stelle.

Global2000 weist darauf hin, dass im AKW Krško Kühlwasser-Ansaugstutzen 32.500 Liter Wasser pro Minute (!) zur Kühlung der glühheißen atomaren Kettenreaktion eingelassen werden müssen, damit der Kernbrennstoff nicht „wie in Fukushima“ schmelze. „Sollten die Filter, so wie im Jahr 2012, aufgrund von Schwemmgut bei Stürme verstopfen, muss der Reaktor schlagartig notabgeschaltet werden. Die vermeintlich zuverlässige Stromquelle wäre ohne Vorwarnung offline“, so Global2000 auf seiner Homepage.

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World Nuclear Industry Report 2021