Luftverschmutzungen sinken aufgrund der „Coronakrise“ regional bis zu 50 Prozent

26. März 20

Das zeigen neue Zahlen, die am Mittwoch von der Europäischen Umweltagentur (EUA) veröffentlicht wurden. Die Daten der EUA weisen auf einen starken Rückgang der Stickstoffdioxid-Emissionen hin, die hauptsächlich von Autos, Lieferwagen und Lkw verursacht werden.

Insbesondere in den stark vom Virusausbruch betroffenen italienischen Städten ist die Luftqualität besser geworden. In Mailand, einem der Epizentren der Coronavirus-Pandemie, sind die Stickstoffdioxid (NO2)-Werte im Laufe eines Monats um fast 25 Prozent gesunken. In Bergamo ist die Luftverschmutzung um 35 Prozent zurückgegangen, und auch in Italiens Hauptstadt Rom sind die Konzentrationen um bis zu 35 Prozent niedriger als im gleichen Vier-Wochen-Zeitraum des Jahres 2019.

Auch auf der iberischen Halbinsel wurden in den Großstädten Barcelona, Madrid und Lissabon NO2-Reduzierungen von rund 50 Prozent registriert. Die EUA-Zahlen basieren auf stündlich aktualisierten Daten, die von mehr als 3.000 über ganz Europa verteilten Luftqualitätsmessstationen aufgezeichnet werden.
Der Exekutivdirektor der Agentur, Hans Bruyninckx, zeigte sich jedoch (verständlicherweise) zurückhaltend, diese Auswirkung der todbringenden Pandemie als „Erfolg“ für die Luftqualität zu preisen. In Wirklichkeit stehe die gegenwärtige Krise „und ihre vielfältigen Auswirkungen auf unsere Gesellschaft“ entgegengesetzt zu dem Ziel, das seine Agentur eigentlich erreichen wolle: „Nämlich eine gerechte und gut kontrollierte Entwicklung hin zu einer widerstandsfähigen und nachhaltigen Gesellschaft,“ so Bruyninckx in einer Erklärung.

Nach Aufhebung der aktuellen Sicherheitsmaßnahmen könnte der Verschmutzungsgrad wieder ansteigen. Schließlich ist zu erwarten, dass die Industrie nach dem Abklingen des Virusausbruchs versuchen wird, ihren dadurch erlittenen wirtschaftlichen Schaden wieder aufzuholen.

Margherita Tolotto, Luftschutzexpertin beim Europäischen Umweltbüro, empfiehlt daher, dass die Regierungen und die EU-Institutionen bereit sein sollten, gegebenenfalls entgegenzuwirken: „Es ist wichtig, dass wir für eine Zukunft nach dieser Krise planen. Wir können es uns nicht leisten, wieder zur bisher normalen Umweltverschmutzung zurückzukehren. Programme zur wirtschaftlichen Erholung sollten den Ambitionen des Grünen Deals entsprechen und dazu beitragen, eine sauberere, grünere und widerstandsfähigere Zukunft zu schaffen.“

Die Europäische Kommission dürfte in diesem Jahr tatsächlich eine Reihe von Vertragsverletzungsverfahren gegen Mitgliedsstaaten einleiten, die regelmäßig die Luftqualitätsvorschriften des Blocks verletzen. Bulgarien, Frankreich und Polen haben bereits Geldstrafen für diverse Gesetzesverstöße aufgebrummt bekommen. Diese Entscheidungen werden dem Europäischen Gerichtshof wahrscheinlich als Präzedenzfälle für zukünftige Sanktionen dienen.

Im Rahmen des Grünen Deals will die EU-Exekutive außerdem einen Plan für „Null-Verschmutzung“ auf den Weg bringen. Dieser zielt auf eine Verbesserung der Luft-, Boden- und Wasserqualität in der Union ab. Im Laufe des Jahres 2020 sollen Konsultationen zu diesem Plan gestartet werden. Das Europäische Umweltbüro hat bereits angemerkt, dass Lärmbelästigung (Noise Pollution) trotz ihrer nachgewiesenen negativen Auswirkungen auf die Gesundheit bisher nicht berücksichtigt wird.

Auch die laufenden Verhandlungen über das langfristige Budget des Blocks dürften eine Rolle bei der weiteren Eindämmung der Umweltverschmutzung spielen, zum Beispiel durch zusätzliche Gelder für die Modernisierung von Industrieanlagen.


Euractiv: Coronavirus-Auswirkungen: Bis zu 50 Prozent weniger Luftverschmutzung