MFR: EU-Kommission kürzt bei Agrar- und Kohäsionspolitik

4. Mai 18

EU-Haushaltskommissar Günther Oetttinger präsentierte am Mittwoch (2.5.) den Vorschlag der EU-Kommission zum Mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) 2021-2027. Wie erwartet sind Budget-Kürzungen im Bereich der Landwirtschaft im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP), aber auch in der Kohäsionspolitik, dem wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt Europas, vorgesehen.

Der Vorschlag der Kommission zum EU-Haushalt wurde mit Spannung erwartet. Mit dem anstehenden Ausstieg Großbritanniens aus der Union im März 2019 scheidet der zweitgrößte Nettozahler der EU aus und reißt eine Lücke von 12 bis 14 Milliarden Euro ins Budget. Gleichzeitig steht die EU vor einer Reihe neuer Herausforderungen, deren Bewältigung kostspielig ist. Genannt seien exemplarisch die Verteidigungsunion, der Grenzschutz, die digitale Agenda und die Eurostabilisierung – Bereiche, in denen die EU eine größere Rolle spielen will und nach Auffassung vieler nationalstaatlicher Regierungen auch soll, für die sie aber auch entsprechend finanziell ausgestattet werden müsste. Die Lücke soll neben den Kürzungen auch durch höhere Beiträge der Länder sowie durch neue Eigenmittel gedeckt werden. Vorgeschlagen wurden hierfür unter anderem Mittel aus dem Emissionszertifikatehandel und aus einer neuen Abgabe auf Plastikmüll.

Ziel der EU-Kommission ist es, sich noch vor den Wahlen im Mai 2019 zu einigen. Die EU-Kommission will in den kommenden Wochen aus der heute präsentierten Grundlage ausführlichere, sektor-spezifische Vorschläge vorlegen. Danach liegt die Entscheidung über die langfristige EU-Haushaltsplanung beim Rat, der mit der Zustimmung des EU-Parlaments einen einstimmigen Beschluss fassen muss.

Österreichs Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) kündigte bereits an, gegen die höheren Beiträge und die Kürzungen in der Landwirtschaft zu kämpfen: "Ich halte wenig davon, einfach über den gesamten Agrarbereich hinweg zu kürzen, das wäre der einfachste, aber sicherlich nicht der richtige Weg. Hier geht es um das Einkommen unserer Bäuerinnen und Bauern und schlussendlich um das Überleben zahlreicher landwirtschaftlicher Familienbetriebe."

Das Europäische Umweltbüro (EEB) zeigt sich enttäuscht darüber, dass die akuten sozial-ökologischen Herausforderungen wie die Reduktion der Treibhausgas-Emissionen, den Stopp des Biodiversitätsverlusts und Nachhaltigkeit in den Plänen zum Mehrjährigen Finanzrahmen zu wenig Beachtung finden. Es erinnert daran, dass diese nicht nur durch die Veränderung von Budgetmittel zu meistern sind, sondern tief gehende strukturelle Veränderungen benötigen. Bérénice Dupeux, Policy Officer für Landwirtschaft beim EEB erklärt dies anhand der GAP: „Traurigerweise verteidigt der heute von der Kommission vorgelegte Budgetvorschlag den landwirtschaftlichen Status Quo, in dem Milliarden in ein naturzerstörendes System gesteckt wird. Mindestens die Hälfte des Topfes der GAP müsste für Umwelt- und Klimaschutz zur Verfügung stehen.“

Auch aus Österreich erfolgte umgehend Kritik. So sagte Elisabeth Köstinger, Ministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus: "Die Budgetvorschläge der Europäischen Kommission sind noch weit schlimmer, als befürchtet. Die geplanten Kürzungen des EU-Budgets sind ein Anschlag auf den Umweltschutz und den ländlichen Raum insgesamt". Seit der Veröffentlichung der Eckdaten am Donnerstag haben ExpertInnen des Nachhaltigkeitsministeriums die konkreten Zahlen und Folgen für die heimische Landwirtschaft und die Ländliche Entwicklung (LE) berechnet. "Bei den Direktzahlungen droht ein Verlust von 27,5 Mio. Euro jährlich, bei der Ländlichen Entwicklung steht mit Verlusten von 97,5 Mio. Euro pro Jahr ein echter Anschlag auf den Umweltschutz, die bäuerlichen Familienbetriebe und den ländlichen Raum bevor", so Köstinger. 

"Für Österreich sind die Mittel für die Ländliche Entwicklung seit vielen Jahren ein entscheidender Beitrag für den ländlichen Raum", so Köstinger. "Damit werden u.a. viele ökologische Maßnahmen zum Klimaschutz, Bodenschutz, Artenvielfalt und Landbewirtschaftung finanziert. Auch die hohen Tierwohl-Standards, die biologische Landwirtschaft oder die Maßnahmen für Berggebiete und benachteiligte Regionen werden aus diesem Topf finanziert", so Köstinger. "Österreich hat in all diesen Bereichen sehr hohe Qualitäts- und Produktionsstandards. Es kann nicht sein, dass diese Qualität durch die Kürzung von Finanzmitteln bestraft wird. Wir müssen über das Agrarmodell der Zukunft diskutieren", so Köstinger. "Die österreichische Position ist hier sehr klar: Keine Benachteiligung bäuerlicher Familienbetriebe mit hoher Qualität, keine Finanzspritzen für große Agrarfabriken, in denen es nur um Menge und Profit geht."

Die Kürzung der Mittel für die Ländliche Entwicklung fällt auf gesamteuropäischer Ebene überdurchschnittlich hoch aus. Bisher standen für die Gesamtperiode (2014 bis 2020) dafür 95,577 Mrd. Euro zur Verfügung. Für die kommende Periode plant die EU-Kommission nur noch 78,811 Mrd. Euro. Insgesamt soll das Budget für die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) von 408,312 Mrd. Euro in der aktuellen Periode auf 365,006 Mrd. Euro in der kommenden Periode sinken.

Laut eigener Darstellung setzt die EU-Kommission jedoch auf ein „modernes Budget für eine Union, die schützt, stärkt und verteidigt.“ 1.135 Milliarden Euro an Mitteln für Verpflichtungen im Zeitraum von 2021 bis 2027 veranschlagt die Kommission. Dies entspricht 1,11 Prozent des Bruttonationaleinkommens der EU-27. Demgegenüber stehen 1.105 Milliarden Euro (1,08 Prozent des BNE) an Mitteln für Zahlungen.

  • Das LIFE-Programm soll schwerpunktmäßig die Themen Kreislaufwirtschaft, kohlenstoffarme Wirtschaft, Biodiversität und Energiewende umfassen. Das Budget soll von aktuell 3,5 auf 5,4 Milliarden Euro steigen.

  • Die Prioritäten des Kohäsionsfonds verringern sich von elf auf fünf.

  • Das Klimaschutz-Mainstreaming soll von 20 auf 25% angehoben werden. Investitionen in fossile Energieträger und deren Infrastrukturen bleiben auch nach 2020 erlaubt.

  • Allgemein will die EU-Kommission die Anzahl der Programme im MFR um mehr als ein Drittel (von derzeit 58 auf künftig 37) reduzieren.

  • Auf der Einnahmenseite avisiert Brüssel neue Finanzquellen: 20% der Einnahmen aus dem EU-Emissionshandelssystem sollen ab 2021 direkt an die EU gehen. Auch bringt die Kommission einen nationalen Beitrag (0,80 Euro pro Kilogramm) ins Spiel, der anhand der in jedem Mitgliedstaat anfallenden nicht wiederverwerteten Verpackungsabfälle aus Kunststoff berechnet werden soll.

  • Außerdem sollen nach dem Willen der Kommission alle derzeitigen Rabatte wegfallen, wobei ein Übergangszeitraum von fünf Jahren zur Debatte steht.

Eine Einigung über den neuen Langzeit-Haushalt strebt die EU-Kommission noch vor der Europawahl und dem Gipfeltreffen des Europäischen Rates in Sibiu am 9. Mai 2019 an was jedoch aus heutiger Sicht unwahrscheinlich erscheint.

 

Euractiv: Der EU-Haushalt, ein vermintes Feld

Pressemitteilung BMNT

EEB: EU budget lacks ambition to address climate challenges and sustainability, says EEB

Pressemitteilung Europäische Kommission