NABU-Bilanz: „Schwere Kardinalfehler bei Agrarpolitik und Klimaschutz“

17. Nov

Im Rahmen des Umweltrats findet am 17. Dezember eines der letzten Treffen unter dem Vorsitz Deutschlands im Rat der Europäischen Union statt, ehe Portugal den Ratsvorsitz übernehmen wird. Der NABU hatte vor Beginn der deutschen Ratspräsidentschaft im Juli diesen Jahres Forderungen formuliert. Nach dem sechsmonatigen Vorsitz zieht er nun kritisch Bilanz.

„Beim Naturschutz gab es unter der deutschen Ratspräsidentschaft durchaus Lichtblicke, wie die neue Ausgabenquote für Biodiversität im EU-Haushalt. Allerdings ist die Bilanz durch schwere Kardinalfehler stark getrübt – etwa bei der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU, der Fischereipolitik und der Verkehrspolitik“, kritisiert NABU-Präsident Jörg-Andreas Krüger. „Leider hat es auch die deutsche Ratspräsidentschaft bei vielen Einzelinitiativen, wie etwa der EU-Waldstrategie, nicht geschafft, eine Euphorie für den von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen vorgelegten Europäischen Green Deal zu entfachen. Das ist eine verpasste Chance, denn nur wenn die Mitgliedstaaten den Green Deal auch unterstützen und umsetzen, kann er insgesamt zum Erfolg werden.“

Für den bevorstehenden Umweltrat forderte NABU-Umweltrechtsexperte Raphael Weyland die Umweltminister*innen noch einmal dazu auf, inhaltliche Lücken des Kommissionsvorschlags zur Aarhus-Verordnung zu stopfen: „Die Aarhus-Verordnung ist ein bedeutsames Partizipations-Instrument für die Europäische Union. Es muss nun zuerst darum gehen, die Rüge des Aarhus Convention Compliance Committee auszuräumen. Falscher Stolz über eine Einigung um jeden Preis ist fehl am Platz. Außerdem muss Deutschland im kommenden Jahr im Rat die Folgemaßnahmen des Europäischen Green Deals, beispielsweise verbindliche EU-Renaturierungsziele, voll und ganz unterstützen“, so Weyland.

 

Die NABU-Einzelbewertung der deutschen Ratspräsidentschaft im Ampelsystem:

  • Grün für den Mehrjährigen Finanzrahmen und die Naturschutzpolitik: Ein versöhnliches Ende gab es beim Mehrjährigen Finanzrahmen der EU (MFR): Nach der wenig visionären Einigung zu einzelnen Ausgabeposten hat Deutschland, vor allem auf Druck des Europäischen Parlaments, ein Ausgabenziel für den Naturschutz mitbeschlossen. Außerdem hat der Umweltrat unter dem Vorsitz von Bundesumweltministerin Svenja Schulze ein breites Bekenntnis zur EU-Biodiversitätsstrategie abgegeben.
  • Dunkelorange für die Klimaschutz- und Energiepolitik: Die Überarbeitung des Klimaziels für 2030 ist enttäuschend. Eine Minderung der Treibhausgasemissionen auf 55 Prozent netto reicht bei weitem nicht aus, um die Ziele des Pariser Klimaabkommens zu erfüllen. Die in der Offshore-Strategie veröffentlichten Energieziele auf See sind zwar notwendig; die geplante Mehrfachnutzung, auch von Meeresschutzgebieten durch Windenergieanlagen, können jedoch sowohl die marine Artenvielfalt als auch marine Ökosysteme gefährden, die einen wichtigen Beitrag zur Bindung von Kohlenstoffdioxid leisten.
  • Rot für die Agrar- und Fischereipolitik: Auch, wenn Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner bei einzelnen Fragen der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP), etwa dem Mindestbudget für freiwillige Umweltleistungen in der 1. Säule, Erfolge erzielt hat: Der versprochene und nötige Systemwechsel bleibt aus. Ohne konkrete qualitative Kriterien laufen die genannten Ökoregelungen ins Leere. Der Gesamtkompromiss bleibt bei anderen Punkten, wie den verpflichtenden Mindestanforderungen, sogar hinter dem Vorschlag der EU-Kommission zurück. Gleiches gilt für die von ihr mitverhandelte Position zum Europäischen Meeres- und Fischereifonds (EMFAF), der noch immer schädliche Subventionen, beispielsweise für Neubauten oder Motorenförderung, ermöglicht. Zudem fehlt ein Bekenntnis, mindestens 25 Prozent des zukünftigen EMFAF für den Meeresnaturschutz zu reservieren. Eine kritische Bewertung, warum das Ziel des guten Umweltzustands nach EU-Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie verfehlt wurde, wird vermisst.
  • Rot für die Verkehrspolitik: Statt die entscheidenden Themen wie den Aufbau von Ladeinfrastruktur für Elektroautos oder die Eurovignette voranzutreiben und damit die Weichen in Richtung emissionsfreie Mobilität zu stellen, hat die Bundesregierung alles daran gesetzt, den Klimaschutz im Verkehrssektor erheblich auszubremsen. So verfolgte sie die wenig zielführende Strategie, den Verkehrssektor in den Europäischen Emissionshandel (ETS) einzubeziehen und versuchte, mithilfe von synthetischen Kraftstoffen am Verbrennungsmotor festzuhalten.
  • Orange für die Kreislaufwirtschaft: Zwar wurden einzelne Maßnahmen des Aktionsplans Kreislaufwirtschaft angegangen, den die EU-Kommission im Frühjahr vorgelegt hatte. Deutschland hat es jedoch verpasst, proaktiv eigene Themen zu platzieren und offene Fragen zum chemischen Recycling oder den Mindestquoten für den Rezyklateinsatz zu klären. Wichtige Maßnahmen zur Abfallvermeidung wurden von 2022 auf 2024 verschoben.

 

NABU-Forderungspapier (pdf)

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