NGO-Analyse zeigt: Österreichs GAP-Strategieplan verfehlt Ziele des Green Deal

Mit den kürzlich vom Landwirtschaftsministerium präsentierten Vorschlägen für die Umsetzung der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) könne Österreich die ökologischen, sozialen und wirtschaftlichen Ziele des Europäischen Green Deal, insbesondere der Biodiversitäts- und der Farm-to-Fork-Strategie, nicht erreichen. Zu diesem alarmierenden Ergebnis kommt eine gemeinsame Analyse, welche die Österreichische Berg- und Kleinbäuer*innen Vereinigung (ÖBV), die Umweltschutzorganisation GLOBAL 2000 und die Naturschutzorganisation BirdLife Österreich in Zusammenarbeit mit der Arbeiterkammer, der Biene Österreich, der Produktionsgewerkschaft PRO-GE sowie dem Bioverband Erde und Saat erstellt und in der Vorwoche im Rahmen einer Pressekonferenz präsentiert haben.

„Es geht um sehr viel. Das weltweite Artensterben ist eine existentielle Bedrohung und macht auch vor Europa und Österreich nicht Halt“, betont der Ökologe Prof. Dr. Franz Essl vom österreichischen Biodiversitätsrat. „Die Intensivierung der Landwirtschaft und die Klimakrise zählen zu den stärksten Treibern. Mit einer ambitionierten, an ökologischen Grundsätzen ausgerichteten Gemeinsamen Agrarpolitik hätte die EU ein starkes Instrument, um dieser Entwicklung gegenzusteuern. Sollten wir jedoch am Ende des Jahrzehnts feststellen, dass eine ambitionslose Agrarpolitik die Ziele des Green Deal verfehlt hat, dann ist es zu spät.“

Jährlich fließen rund 2,2 Milliarden Euro öffentliche Gelder über die GAP in die österreichische Landwirtschaft. An welche Maßnahmen und Ziele diese Agrarförderungen geknüpft werden, ist derzeit Gegenstand von Verhandlungen. Die EU-Kommission erwartet von der GAP einen entscheidenden Beitrag für die Zielerreichung des europäischen Green Deal und hat entsprechende Empfehlungen an Österreich übermittelt. Am 15. April hatte das österreichische Landwirtschaftsministerium seine „Interventionsentwürfe“ für den heimischen GAP-Strategieplan veröffentlicht.

Mit der vorliegenden Studie wurde untersucht, inwieweit die Maßnahmen des GAP-Strategieplans die folgenden acht Ziele des Green Deal erreichen können: 50 %-Reduktion von Nährstoffverlusten, 50 %-Reduktion von Pestizideinsatz, 10 % Naturflächen, Umkehr des Rückgangs von Bestäubern, Beitrag zur Klimaneutralität, 25 % Biolandwirtschaft, Verbesserung bäuerlicher Einkommen und faire Arbeitsbedingungen für Erntearbeiter*innen.

Green Deal nur mit ambitionierter GAP

Die wichtigsten Erkenntnisse der Untersuchung: Sechs der acht untersuchten Ziele des Green Deal lassen sich mit den derzeit vorgeschlagenen Maßnahmen nicht erreichen. Wie die vorliegende Analyse nämlich zeigt, unterscheiden sich die vorgeschlagenen Maßnahmen nicht oder aber nur geringfügig von jenen Maßnahmen aus vergangenen GAP-Perioden, von denen hinreichend belegt ist, dass sie keine nennenswerten Verbesserungen bei den betreffenden Zielen bewirkt hatten.

Vier der Green-Deal- und Biodiversitätsziele, nämlich der „Schutz von Bestäubern“, die „50 %-Reduktion“ von Nährstoffverlusten ebenso wie von Pestiziden sowie die „Sozialen Rechte“ waren gar nicht Teil des Planungsprozesses, sehen die NGOs eine mögliche Erklärung für die Zielverfehlung. Diese fehlten bereits in der „Bedarfsanalyse“, die als Grundlage für die Entwicklung von Maßnahmen dient, und ebenso in den folgenden internen Planungsdokumenten.

Große Nachbesserungen erforderlich

„Solch eine Planung im Blindflug ist nicht nur unprofessionell, sie ist angesichts der Milliarden an Steuergeldern, die an den GAP-Strategieplan geknüpft sind, und angesichts der existentiellen Wichtigkeit der Green-Deal-Ziele völlig inakzeptabel“, kritisiert Dr. Helmut Burtscher-Schaden, Umweltexperte bei GLOBAL 2000 das Vorgehen des Ministeriums. In dieser Form könne der Strategieplan nicht beschlossen werden. Nachbesserungen seien dringend erforderlich.

„Dabei wäre es falsch, alle Maßnahmen in Bausch und Bogen als ineffektiv zu verwerfen. Gerade bei der Biodiversität finden wir mehrere Maßnahmen, deren positive Wirkung wissenschaftlich belegt ist. Dazu zählen etwa ÖPUL-Biodiversitätsflächen im Ackerland und die ÖPUL-Naturschutzmaßnahmen. Das Problem liegt in der ungenügenden Umsetzung - sowohl flächenmäßig als auch qualitativ“, erklärt DI Christof Kuhn von BirdLife Österreich. Damit das in Zukunft besser wird, brauche es eine gesteigerte Ambition bei jenen Maßnahmen, die tatsächlich etwas für die Umwelt bringen, sowie entsprechend attraktive Förderanreize und eine gute fachliche Beratung.

Julianna Fehlinger von der ÖBV plädiert für systemischen Veränderungen für eine gerechtere und ökologischere Agrarpolitik. Um die Klimakrise einzudämmen und das Artensterben zu stoppen, brauche es mehr kleinbäuerliche Strukturen. „Das weitere Höfesterben kann nur mit zielgerichteten Maßnahmen für ein besseres Einkommen von Bäuerinnen und Bauern verhindert werden. Eine Verdoppelung der Flächenförderung für die ersten 20 Hektar würde speziell für kleinere Betriebe den Druck in Richtung Intensivierung reduzieren und nachhaltige Arbeitsplätze in der Region sichern“, hebt Fehlinger hervor.

Gemeinsam appellieren die NGOs an alle Parlamentsfraktionen, den gesetzlichen Grundlagen für den Strategieplan erst zuzustimmen, nachdem entscheidende Verbesserungen eingeführt worden sind, welche mit den Zielsetzungen des Green Deal kompatibel sind. Sie laden zu einer öffentlichen Anhörung mit den Agrarsprecher*innen aller politischen Parlamentsparteien am 17. Mai ein.

OTS-Presseaussendung zur GAP-Analyse

Global 2000: "GAP-Strategieplan verfehlt Ziele des Green Deal"

Global 2000 zur GAP-Analyse (pdf)