NGOs fordern klares EU-MERCOSUR-Veto

16. Feb 21

In offenem Brief fordert die Allianz ein „Nein zu EU-MERCOSUR ohne Wenn und Aber“ – alle Hintertüren für faule Kompromisse müssen geschlossen werden. Greenpeace, die Dreikönigsaktion – Hilfswerk der Katholischen Jungschar, Fridays for Future und Vier Pfoten fordern die Abgeordneten des Nationalrats auf, sich weiterhin ohne Wenn und Aber gegen den umstrittenen EU-MERCOSUR-Pakt zu stellen und keinerlei neue Beschlüsse in dieser Angelegenheit zu fassen.

In der Sitzung des Nationalrats am Mittoch wurde ein Entschließungsantrag von ÖVP und Grünen behandelt. Laut diesem soll sich die Bundesregierung lediglich „in der derzeitigen Form” gegen das geplante EU-MERCOSUR-Abkommen aussprechen. Die NGOs befürchten durch diese schwache Formulierung eine Verwässerung des im September 2019 mit einer überwältigenden Mehrheit im Parlament beschlossenen und nach wie vor bindenden Vetos gegen EU-MERCOSUR. Die Allianz der vier Organisationen vermutet folglich, dass das klima- und regenwaldzerstörende Abkommen zu einem späteren Zeitpunkt doch noch durch die Hintertür ermöglicht werden könnte, etwa indem der Vertragstext wie beim EU-CETA-Abkommen durch substanzlose Zusatzerklärungen ergänzt oder der Handelsteil aus dem Abkommen herausgelöst wird, um die in mehreren europäischen Ländern vorhandenen Widerstände gegen das Vertragswerk abzuschwächen.

„Die Wissenschaft warnt bereits seit Jahren, dass wir bei der Zerstörung des Amazonas-Regenwaldes auf einen Kipppunkt zusteuern und dass damit dramatischen Folgen verbunden wären“, sagt Philipp Laubeneder, Fridays for Future Wien. „Trotzdem verhandelt die Politik nach wie vor über das EU-MERCOSUR-Abkommen. Das ist unserer Generation gegenüber vollkommen unverantwortlich, da wir die Folgen dieses Abkommens tragen werden müssen. Europa sollte den Amazonas-Regenwald schützen und nicht zerstören.“ Auch Österreich müsse sich seiner Verantwortung hierbei bewusst sein, so Laubeneder.

„Dem Import von Billigfleisch würde mit diesem Abkommen Tür und Tor geöffnet“, warnt Eva Rosenberg, Vier Pfoten – Stiftung für Tierschutz. „In den MERCOSUR-Ländern mit ihrer intensiven Landwirtschaft hat das Wohlergehen der Tiere keine Priorität. Verbindliche Vorschriften zu Haltung, medizinischer Versorgung, Transport und Schlachtung fehlen oder liegen weit unter österreichischen Standards.“

88 Prozent der österreichischen Bevölkerung fordern von der Bundesregierung, sich mit voller Kraft gegen das geplante Abkommen zu stellen. Das ergab eine repräsentative Umfrage im Auftrag von Greenpeace. Denn der Handelspakt hätte katastrophale Konsequenzen für die europäische Landwirtschaft, das Weltklima und die indigene Bevölkerung der MERCOSUR-Staaten: So sollen etwa die Einfuhrquoten für Zucker um 10.000 Tonnen und für billiges Rindfleisch, das mit Antibiotika und Wachstumshormonen gedopt wurde, sogar um rund 100.000 Tonnen pro Jahr erhöht werden. Das würde nicht nur die Regenwaldzerstörung immens befeuern, sondern auch die heimische Landwirtschaft würde in einen gnadenlosen Preiskampf geraten, warnt Greenpeace. „Die Österreicherinnen und Österreicher haben sich bereits klar gegen diesen ruinösen Klimakiller-Pakt ausgesprochen. Sie wollen kein Bauernsterben und auch kein Hormonfleisch auf den Tellern. Die Politik darf sich nicht aus der Verantwortung stehlen und muss sich ohne Wenn und Aber gegen den EU-MERCOSUR-Pakt stellen“, fordert Alexander Egit, Geschäftsführer von Greenpeace.

Europäer*innen lehnen Mercosur-Abkommen ab

Europaweit lehnen 75% der Menschen eine Ratifizierung des Abkommens mit den südamerikanischen MERCOSUR-Staaten ab. Zudem finden drei Viertel der Befragten, dass auch ein Rückgang europäischer Exporte in die südamerikanischen Länder kein Grund dafür sei, eine Ratifizierung voranzutreiben. Der Abschluss des Vertrags kommt für die meisten der Befragten nur in Frage, wenn die Zerstörung des Regenwaldes im Amazonas-Gebiet beendet wird. Nur 12% der Befragten sprachen sich dafür aus, das Abkommen trotz fortschreitender Abholzung zu ratifizieren. Für die repräsentative Umfrage befragte das britische, international tätige Markt- und Meinungsforschungsinstitut YouGov Menschen in zwölf europäischen Ländern.

Marcio Astrini, Mitarbeiter von Observatório do Clima, einem Netzwerk brasilianischer Umweltorganisationen, forderte die europäischen Staats- und Regierungschef*innen auf, auf die europäische Öffentlichkeit zu hören und „jedes Abkommen mit Brasilien an konkrete Maßnahmen und überprüfbare Ergebnisse zu knüpfen, um die katastrophale Zerstörung des Amazonas-Regenwalds zu stoppen.“

Neue Handelsstrategie

In ihrer neuen Handelsstrategie hat die EU-Kommission betont, mehr auf Umwelt- und Klimaschutz zu achten. Die letzte Woche Donnerstag veröffentlichte Strategie „für eine offene, nachhaltige und durchsetzungsfähige Handelspolitik“ solle dafür sorgen, dass künftige Handelsabkommen zwischen der EU und Drittstaaten zu den Zielen des Green Deal beitrügen. Die EU-Kommission stellt dafür „Nachhaltigkeit in den Mittelpunkt“ dieser neuen Strategie. Dafür sollen Nachhaltigkeitskapitel in Handelsabkommen die Verpflichtung enthalten, internationale Abkommen zu Klima, Artenvielfalt, Abfall und Chemikalien zu ratifizieren. Eine Rolle in diesen Kapiteln spielen sollen auch Standards im Bereich nachhaltige Bewirtschaftung und Erhaltung von Wäldern, nachhaltige Fischerei, die Achtung von Arbeitnehmer*innenrechten und verantwortungsvolles Unternehmertun.

Umwelt- und Entwicklungsorganisationen kritisieren diese Strategie angesichts ihrer Ansicht nach fehlender effektiver Sanktionsmechanismen bei Nichteinhaltung dieser Standards. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) wandte sich an die deutsche Bundesregierung, die nun „ihren Einfluss geltend machen und Versuche unterbinden“ müsse, „das Abkommen mit undemokratischen Tricks gegen die Mehrheit der Menschen in Europa durchzudrücken“, betont Sascha Müller-Kraenner, DUH-Geschäftsführer. Eine europäische Handelspolitik müsse sich vielmehr sich für den Schutz des Klimas, der biologischen Vielfalt und der Menschenrechte einsetzen, so Müller-Kraenner.


Offener Brief der Allianz

OTS-Aussendung

Attac

Pressemitteilung der EU-Kommission zur Handelsstrategie

Pressemitteilung der DUH

Deutscher Naturschutzring (DNR)