NGOs und Industrie: Klimaneutralität braucht klare Industriestrategie

Als Schlüsselelement für den Übergang zu einer umweltfreundlicheren Industrie wird die EU-Kommission nach eigenen Angaben Übergangswege für die Dekarbonisierung für bestimmte miteinander verbundene Industrien oder energieintensive Sektoren (Stahl, Chemie) entwerfen. Dies soll durch ein neues Gremium mit der Bezeichnung „Industrieforum“ geschehen, das sich aus Nichtregierungsorganisationen und Industrie zusammensetzt.

Allerdings gibt die Europäische Kommission nur wenige Einzelheiten zur Grundlage dieser Übergangspfade an. So ist noch offen, ob sie beispielsweise die Anforderungen an die Erreichung der Klimaneutralität wie die langfristige Lebensfähigkeit eines Sektors untersuchen wird. Darüber hinaus werden eine Reihe von „KPIs“ (Key Performance Indicator, Kennzahl zur Ermittlung von Unternehmensleistungen) für die Industrie angeführt, die sich auf Wettbewerbsfähigkeit und Binnenmarktintegration konzentrieren, jedoch nicht auf die Leistung in Bezug auf umweltfreundliche Kriterien.

WWF beklagt Unklarheiten bei Industriestrategie

Zwar konzentriere sich die in der Vorwoche publik gemachte Industriestrategie der Europäischen Kommission hauptsächlich auf die wirtschaftliche Erholung von der Covid-19-Pandemie und auf den Aufbau zukünftiger Widerstandsfähigkeit, aber biete laut dem World Wildlife Fund (WWF) nicht genügend Klarheit, um Unternehmen zu klimaneutralen Aktivitäten zu verhelfen.

„Das Engagement der Europäischen Kommission für umweltfreundliche und digitale Wege für wichtige Systeme wie energieintensive Industrien ist sicherlich ein Fortschritt. Es bleibt jedoch unklar, wer bei der Gestaltung dieser Wege federführend sein wird“, sagte Imke Lübbeke, Leiterin für Klima und Energie beim WWF European Policy Office.

Ein weiterer wesentlicher Fehler der Strategie bestehe darin, dass die von der EU-Kommission zur Entwicklung neuer Technologien eingerichteten Branchenallianzen nicht transparenter werden. Bereits etablierte Allianzen wie die zu sauberem Wasserstoff seien in ihrer Organisation und Führung sowie in ihrem endgültigen Ziel nicht transparent, kritisiert der WWF.

„Eine übermäßige Abhängigkeit von der Industrie durch das Industrieforum und industrielle Allianzen ist nicht beruhigend. Die Arbeit und der Fortschritt der Allianzen müssen auf transparente Weise verfolgt werden“, fordert Lübbeke. „Die EU hat ein klimaneutrales Ziel: Die Europäische Kommission sollte sich dieses Ziel zu eigen machen und die Industrie anleiten, ihren Beitrag dazu zu leisten, indem sie politische Rahmenbedingungen schafft und finanzielle Unterstützung für den Aufbau sauberer Märkte ermöglicht.“

Die Strategie sieht auch eine Überarbeitung der Vorschriften für staatliche Beihilfen im Bereich Umwelt und Energie vor, um es den Mitgliedstaaten zu ermöglichen, Unternehmen bei einem digitalen und umweltfreundlichen Übergang durch Innovation besser zu unterstützen. Die Gesamtstrategie soll mit der bevorstehenden Überarbeitung der EU-Richtlinie über das Emissionshandelssystem und ihres Innovationsfonds im Rahmen des Fit for 55%-Klimapakets verknüpft werden.

Bis Ende 2022 hat die EU-Kommission Zeit, ihre Strategie umzusetzen.

WWF: Vague EU industry plan leaves decarbonisation in the dark