Portugal plant landesweiten Abbau seiner Lithiumvorräte

23. Jän 20

Die Regierung und das britische Bergbauunternehmen ´Savannah Resources` versprechen der Bevölkerung Steuerreichtum für die armen ländlichen Gemeinden, Hunderte gut bezahlte Arbeitsplätze und damit ein Ende der Abwanderung der Bevölkerung aus dem strukturschwachen Norden Portugals. Unter Portugals Hügeln verbergen sich große Vorkommen von Lithium, die über riesige Tagebaulöcher ausgebeutet werden sollen. „Sie wollen die gesamte Region umpflügen“, sagt Jessica da Cruz von der Bürgerinitiative gegen den Lithiumabbau.

Das Metall ist wichtig für die Mobilitätswende. 27 Millionen Tonnen lithiumhaltiges Gestein soll allein rund um den 260-Seelen-Ort Covas do Barroso nahe der Grenze zur spanischen Region Galicien liegen. Die Region wurde erst vor gut einem Jahr von der Landwirtschafts- und Ernährungsorganisation der Vereinten Nationen zum landwirtschaftlichen Weltkulturerbe erklärt.

Noch sei die Natur in der gesamten Nordregion intakt, sagt Jessica da Cruz. „Das ist unser Kapital. Nachhaltiger Tourismus und Landwirtschaft gibt uns für alle Zeiten genug zu essen. Eine Mine schließt in zehn Jahren und hinterlässt eine zerstörte Landschaft.“ Der Bevölkerung ist das klar, die Versprechungen von Behörden und Industrie funktionieren daher nicht. Dutzende 150 Meter tiefe Löcher mit einem Durchmesser von bis zu 600 Metern, die die Landschaft zerstören, wolle hier niemand sowie die Folgen des hochtoxischen chemischen Prozesses, mit dem das Metall aus dem Gestein gelöst werden soll.

Dass die Mine Arbeitsplätze in der Region schafft, glaubt Da Cruz auch nicht. „Die Bergbaubetreiber bringen einen Teil ihrer Belegschaft mit, und die Fabrik zur Herstellung von Batterien für Elektrofahrzeuge soll jetzt doch nicht gebaut werden.“ Hintergrund soll der Mangel an Fachkräften sein. Aber in der Bürgerinitiative geht man davon aus, dass das Metall nach China verschifft und dann dort verarbeitet werden soll.

Portugal hat, so zeigen Studien, die größten Lithiumvorkommen in Europa. Bislang findet der Abbau hier in relativ kleinen Mengen statt. Dies soll sich jedoch ändern, weil die Nachfrage weltweit ständig anwächst und Portugals Regierung eine große Chance sieht, das Land mit dem Abbau aus der Krise zu führen. Ministerpräsident Antonio Costas in Lissabon steht deshalb voll und ganz hinter den Bergbauplänen. „Wenn wir CO2 reduzieren wollen, ist Lithium unerlässlich“, erklärt Umweltminister João Pedro Matos Fernandes, der auch für den Energiewandel zuständig ist.

Ziel ist es, rund um die Minen eine ganze Industrie aufzubauen, die Portugal mit zu den führenden Zuliefernationen für die E-Mobilität mache. Lithium wird für allerlei Batterien genutzt, besonders für die Akkus der E-Autos. Bereits heute werden 56% des verkauften Metalls in der Batterieproduktion gebraucht. 2030 sollen nach den Plänen der Europäischen Union mindestens 35 Prozent der neu zugelassenen Pkws und Lieferwagen einen Elektromotor haben.

Aber die Menschen wehren sich landesweit gegen den Lithiumabbau in Portugal. Denn mehr als 3.600 Quadratkilometer Fläche wären von den beantragten Schürflizenzen betroffen, in denen Menschen Leben und Landwirtschaft betreiben. Dabei ist Landschaftsschutz nicht das einzige Argument der BergbaugegnerInnen. Laut Ergebnis einer Studie der Umweltschutzorganisation Quercus würde jedes Lithiumbergwerk pro Jahr 1,79 Millionen Tonnen des Klimakillers CO² verursachen. Das wiederum würde bedeuten, dass Portugal das für 2050 gesteckte Ziel der Klimaneutralität deutlich verfehlen werde.


Taz: Lithium Abbau in Portugal: Böse Minen zum guten Spiel