Über 500 Staudamm-Projekte innerhalb von Schutzgebieten
6. Aug 20
Weltweit gibt es mindestens 1.249 schon bestehende Groß-Staudämme innerhalb von Schutzgebieten. Allein in Österreich befindet sich fast jedes dritte neue Wasserkraft-Projekt in einem Schutzgebiet. Damit bezieht sich die Naturschutzorganisation WWF auf eine im Fachjournal Conservation Letters veröffentlichte Studie, an der sie federführend an der Studie beteiligt war.
Der WWF und die Forscher*innen warnen nun vor einer Beschleunigung des Artensterbens durch eine Welle an Flussverbauungen in geschützten Fluss-Ökosystemen. In vielen Fällen haben derartige Dammbauten zur Folge, dass die betroffenen Schutzgebiete verkleinert, aufgeweicht oder sogar aufgelassen werden. „Bei den politischen Verantwortlichen sollten alle Alarmglocken läuten. Schutzgebiete sind essentiell für den dauerhaften Erhalt der biologischen Vielfalt“, warnt Gerhard Egger, Gewässerschutzexperte vom WWF Österreich, und verweist dabei auch auf heimische Konfliktprojekte. „Durch schlechtes Gebietsmanagement und kurzsichtige Baugenehmigungen verlieren wir einzigartige Naturjuwele. Die Politik muss auch hierzulande den dauerhaften Erhalt der letzten intakten Fließgewässer und Schutzgebiete auf allen Ebenen ernst nehmen, anstatt die weitere Verbauung mit finanziellen Anreizen auch noch zu befeuern.“
Aktuelle Beispiele sind etwa die Kraftwerks-Pläne innerhalb von Natura-2000-Gebieten, wie das Kraftwerk Rosenburg am Kamp in Niederösterreich, das Kraftwerk Schwarze Sulm in der Steiermark. An den Zubringerflüssen der Isel sind gleich sechs Kraftwerke geplant, eines davon direkt am geschützten Hauptfluss. Für das Kraftwerk Kühtai wird aktuell in einem streng geschützten Landschaftsraum gebaut, wofür das Land Tirol eigens das Landesnaturschutzgesetz abgeändert und aufgeweicht hat.
Viele der in Österreich geplanten Wasserkraftanlagen sind klein sind und tragen kaum zur Energiewende bei. Dennoch würde etwa das Kraftwerk Schwarze Sulm, trotz dauerhafter Belastung eines Europaschutzgebiets, nach dem aktuellen Fördersystem mehrere Millionen Euro an Ökostromförderung bekommen. „Die im Regierungsprogramm als Ziel verankerte Naturverträglichkeit der Energiewende muss sich auch im Fördersystem abbilden. Daher dürfen in Zukunft nur noch jene Projekte subventioniert werden, die keine Schutzgebiete beeinträchtigen und nicht zur Verschlechterung unserer Flüsse beitragen“, fordert Egger. „Wozu gibt es schließlich Schutzbestimmungen, wenn dort umweltschädliche Kraftwerke gebaut und zusätzlich auch noch subventioniert werden?“
Seit Jahren warnen Forscher*innen vor dem drastischen Artenschwund in Süßwasser-Lebensräumen. Die Populationen von Süßwasser-Wirbeltieren (Säugetiere, Feuchtgebietsvögel, Reptilien, Amphibien und Fische) sind seit 1970 um 83 Prozent, die Bestände von Europas Wanderfischen sogar um 93 Prozent eingebrochen. In dem hohen Grad an Flussverbauung wie durch Wasserkraftwerke sieht der WWF eine der wesentlichen Ursachen hierfür. Die Umweltschutzorganisation fordert in Anbetracht des alarmierenden Zustands der Artenvielfalt in unseren Flüssen eine naturverträgliche Energiewende, welche neben einem ambitionierten Energiesparplan, den Ausbau von Wind- und Sonnenenergie in den Mittelpunkt stellt.
Mehrere Forschungsinstitute weltweit waren an der Studie „Dams and Protected Areas: Quantifying the spatial and temporal extent of global dam construction within protected areas“ beteiligt. Hauptautorin ist Michele Thieme, leitende Süßwasserwissenschaftlerin beim WWF-US. Auch der Österreicher Klement Tockner vom FWF – Wissenschaftsfonds war an der Studie beteiligt. Zur Ermittlung der Zahlen verwendeten die Wissenschaftler*innen die World Database on Protected Areas, globale Staudammdaten von Global Dam Watch und Daten des PADDDTracker.