Umweltdachverband: Weltweiter Verhandlungsmarathon zum Schutz der Biodiversität hat begonnen!

Auf der UN-Weltnaturkonferenz COP15 in Montreal sollen vom 7.-19. Dezember unter der Federführung Chinas ein neuer globaler Pakt und die Ziele für 2030 ausgehandelt werden, um den alarmierenden Rückgang der Biodiversität einzudämmen. Gerald Pfiffinger, Geschäftsführer des Umweltdachverbandes, wird bei der Konferenz vor Ort mit dabei sein und betont: „In den kommenden Tagen geht es um nichts weniger als um die künftige weltweite Biodiversitätsstrategie, die die Basis für viele weitere EU-Rechtsakte bilden wird.“ Bisher stehen globale Biodiversitätsstrategien unter einem schlechten Stern, da die Aichi-Ziele, der letzte 10-Jahresplan zur Biodiversität, offiziell scheiterte. Aus diesem Grund wurden in einer neuen Biodiversitätsstrategie auf Basis eines umfassenden wissenschaftlichen Berichts (The Global Assessment Report on Biodiversity and Ecosystem Services des IPBES) verbindlichere Ziele definiert. „Die ersten politischen Verhandlungen machten die Hoffnung, konkrete Ziele auf Basis wissenschaftlicher Empfehlungen zu schaffen, jedoch gleich wieder zunichte. Die meisten messbaren Ziele wurden mit Klammern versehen und somit in Frage gestellt“, sagt Pfiffinger.

Globale Biodiversitätsstrategie braucht konkrete, messbare Ziele

Die große Uneinigkeit bezüglich verbindlicher und konkreter Ziele soll nun in Montreal beseitigt werden, um ein erneutes Scheitern der Biodiversitätsstrategie zu verhindern. Österreich setzt als Verhandlungspartner auf eine möglichst ambitionierte Strategie. „Der Biodiversitätsverlust ist ein schleichender Prozess – die Natur stirbt langsam und leise. Wir erheben daher die Stimme für eine intakte, resiliente Natur – denn sie ist unsere Lebensgrundlage! In Sachen Klimawandel und Artensterben sind gemeinsame, faktenbasierte und sektorenübergreifende Problemlösungen notwendig. Wir können unsere Klimaziele nur erreichen, wenn wir unsere natürlichen CO2-Speicher – Moore, Feuchtwiesen, Wälder, Böden – erhalten oder wiederherstellen. Das Artensterben und die Zerstörung wertvoller Naturräume müssen gestoppt werden. Der Umweltdachverband fordert daher konkrete Maßnahmen in Form von Schutzgebieten und naturverträglichen Bewirtschaftungspraktiken, um die Nutzung der Landschaft mit den Biodiversitätszielen in Einklang zu bringen. Biodiversitätsschutz ist keine Verhandlungsmasse, sondern Voraussetzung für das Überleben der Menschheit“, so Pfiffinger.

Aktuelle Bilanz des Artensterbens ist fatal

„Die im Rahmen des WWF Living Planet Report untersuchten Bestände wildlebender Arten sind seit 1970 im Schnitt um 69 Prozent eingebrochen”, sagte Karim Ben Romdhane, Experte für internationalen Artenschutz des WWF Österreich, bei einer Pressekonferenz letzte Woche Freitag. „Um diesen Trend umzukehren, brauchen wir ein ambitioniertes Abkommen für die Artenvielfalt, so wie es das Pariser Abkommen für den Klimaschutz ist“, fordert der WWF-Experte, der als Mitglied der österreichischen Delegation vor Ort ist, konkret einen globalen Naturschutz-Pakt mit verbindlichen, messbaren Zielen bis 2030.

Nach Ansicht des WWF sind Schutzgebiete ein wichtiger inhaltlicher Punkt. Dabei fordert die Umweltorganisation die Unterschutzstellung von mindestens 30 Prozent der Landes- und Meeresfläche bis 2030. Nach der „enttäuschenden Klimakonferenz“ in Ägypten bietee der Gipfel in Montréal eine Möglichkeit, den rasanten Verlust unserer Lebensgrundlagen noch aufzuhalten.

„Klimakrise und Artensterben sind zwei Seiten derselben Medaille. Wir haben es mit einer Zwillingskrise zu tun, die wir gemeinsam lösen müssen”, betont Julia Balasch vom WWF-Jugendnetzwerk Generation Earth. „Intakte Ökosysteme sind im Kampf gegen die Klimakrise essentiell. Alleine in den letzten zehn Jahren hat die Natur 54 Prozent der menschengemachten Treibhausgase aufgenommen”, sagt Balasch mit Bezugnahme auf eine Studie des WWF.

„Das Bewusstsein für die Klimakrise ist in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen. Dieses Bewusstsein brauchen wir jetzt auch für das Artensterben und die Bedeutung der Biodiversität. Beide Krisen lassen sich nur mit Hilfe „Natur-basierter Lösungsansätze“ bewältigen. Denn Klimaschutz geht nur mit und nicht gegen die Natur”, so Balasch.

Österreich braucht eine Trendwende

Den europäischen Zielen zufolge muss auch Österreich seine Naturschutzgebiete deutlich ausbauen, um seinen Beitrag zu dem geplanten Schutzgebietsnetzwerk auf mindestens 30 Prozent der EU-Landesfläche zu leisten – davon ein Drittel hochwertige Schutzgebiete (Nationalparks und Wildnisgebiete, deren Fläche in Österreich derzeit weniger als drei Prozent ausmacht). Parallel dazu brauche es wirksame Maßnahmen gegen den Flächenfraß. Nach wie vor werden täglich im Schnitt 11,3 Hektar Boden verbraucht. „Wir verschmutzen, übernutzen und zerstören unsere Natur, als gäbe es kein Morgen. Daher müssen wir jetzt in allen Bereichen eine echte Trendwende einleiten”, fordert Arno Aschauer, Leiter des Bereichs Arten und Lebensräume beim WWF.

Dazu brauche es auch wesentliche Veränderungen in den bisherigen Strukturen, wie beispielsweise eine Ökologisierung der Raumordnung und des Steuersystems oder die Einrichtung einer nationalen Koordinationsstelle Biodiversität. Überdies müsse die Politik eine Offensive zur Wiederherstellung bereits zerstörter Lebensräume starten, wie es das geplante „EU Nature Restoration Law” vorzeichnet.

Die 15. UN-Weltnaturkonferenz (CBD COP15) findet nach mehrmaliger Verschiebung vom 7. bis 19. Dezember unter der Präsidentschaft Chinas statt. Nachdem die Vorgaben des bis 2020 gültigen Biodiversitäts-Abkommens verfehlt wurden, soll ein neues, ambitioniertes Abkommen mit globalen Zielen und einem Aktionsplan bis 2030 beschlossen werden. Die Weltnaturkonferenz beruht auf dem Übereinkommen über die biologische Vielfalt (CBD), das 150 Staats- und Regierungschefs 1992 unterzeichnet haben. Mittlerweile sind 196 Vertragsparteien beteiligt. Ziel der Konferenz ist bis 2050 eine Welt zu gestalten, die „im Einklang mit der Natur lebt.“

Am Tag vor der 15. UN-Weltnaturkonferenz einigte sich die Europäische Union auf ein EU-Verbot von Waren-Import bei Abholzung. Demnach dürfen Produkte, die auf dem europäischen Markt landen, in Zukunft nicht mehr mit Entwaldung und Waldschädigung in Verbindung stehen. Der WWF sieht in dieser aktuellen EU-Einigung einen „wichtigen Durchbruch für den besseren Schutz der weltweiten Regenwälder”. Mit dem weltweit ersten Gesetz gegen Entwaldung zeige die EU ihren Handelspartnern „den richtigen Weg vor, auch wenn es inhaltlich noch Luft nach oben gibt. Weitere Verbesserungen müssen folgen”, sagte Hannah-Heidi Schindler, Expertin für nachhaltige Ernährung beim WWF Österreich. Mehr als zwei Jahre lang hatte die Umweltschutzorganisation mit der europaweiten Kampagne #Together4Forests für ein EU-Waldschutzgesetz gekämpft. „Jetzt geht es um eine lückenlose Umsetzung und wirksame Kontrollen der neuen Regeln. Defizite müssen rasch behoben werden”, fordert Schindler.


UN Biodiversity Conference in Montreal

UWD Presseaussendung

Weltnaturkonferenz: WWF fordert ambitioniertes Abkommen und sieht große Hausaufgaben in Österreich

WWF-Bericht: Natur kann schlimmste Klimafolgen abwenden

WWF Living Planet Report

WWF: Einigung auf EU-Waldschutzgesetz: WWF sieht wichtigen Durchbruch