Unklarheit bei Beschwerderecht von Umweltorganisationen im Artenschutz

 

In zwei gleichgelagerten Fällen hat sich das Landesverwaltungsgericht Salzburg divergierend zum Ausmaß der Beteiligung von Umweltorganisationen an artenschutzrechtlichen Ausnahmeverfahren geäußert.

Die örtlich zuständige Bezirksverwaltungsbehörde hat bereits Ende des Vorjahres in Salzburg zwei Genehmigungen zur Entnahme einer bestimmten Anzahl wildlebender Vögel im Tennengau erteilt. Auf Grundlage einer Entscheidung wurde der Abschuss von Rabenvögeln (Rabenkrähe, Elster, Eichelhäher) genehmigt, auf Basis der anderen der Abschuss von Kormoranen und Graureihern. Gegen beide Entscheidungen hat jeweils eine Umweltorganisation Beschwerde an das Salzburger Landesverwaltungsgericht (LVwG Sbg) erhoben.  

Divergierende Äußerungen in der Rechtssprechung

Zwar sind die Ausgangslage und die Gesetzesgrundlage für beide Entscheidungen gleich, doch das Landesverwaltungsgesetz Salzburg (LVwG Sbg) hat sich in der Folge divergierend zur Zulässigkeit dieser beiden Beschwerden geäußert.

§ 150a Salzburger Jagdgesetz (SJG) definiert, an welchen umweltbezogenen Verfahren nach diesem Gesetz Umweltorganisationen sich beteiligen dürfen und gegen welche Behördenentscheidungen ihnen ein Rechtsmittel zusteht. Umweltorganisationen dürfen sich folglich an artenschutzrechtlichen Ausnahmeverfahren zu Vögeln lediglich dann beteiligen, wenn dort streng geschützte Arten nach Anhang I VSch-RL (Vogelschutzrichtlinie, RL 2009/147/EG) behandelt werden. Weder bei den von der ersten Entscheidung betroffenen Rabenvögeln noch bei den von der zweiten Entscheidung betroffenen Kormoranen und Graureihern handelt es sich um Vogelarten, welche im Anhang I VSch-RL gelistet sind.Das LVwG Sbg verneint im Verfahren zu den Rabenvögeln mit Verweis auf den Wortlaut des § 150a SJG die Beschwerdelegitimation der Umweltorganisationen (LVwG Sbg 20.5.2021, 405-1/633/1/2-2021).

Mit Beschluss vom 2. Juni 2021 konstatiert das Gericht allerdings, dass eine Beschränkung der Beschwerderechte von anerkannten Umweltorganisationen nur auf artenschutzrechtliche Ausnahmen betreffend (Anhang I-Arten vor dem Hintergrund der Art 5 und 9 VSch-RL sowie Art 9 Aarhus Konvention) und der neueren Rechtssprechung des VwGH zur Beschwerdelegitimation von Umweltorganisationen nach der Aarhus Konvention nicht mit Europarecht und der Aarhus Konvention vereinbar sei (LVwG Sbg 2.6.2021, 405-1/634/1/2-2021).

„Schon die Ausgestaltung von Beteiligungs- und Beschwerderechten für Umweltorganisationen im Landesrecht ist uneinheitlich. Diese wird nunmehr ergänzt um eine uneinheitliche Rechtsprechung zu den Aarhus Rechten im Naturschutz: In oberster Instanz obliegt es dem Verwaltungsgerichtshof, hier für eine einheitliche Anwendung des Gesetzes und dadurch für Rechtssicherheit zu sorgen“, erklärt ÖKOBÜRO - Allianz der Umweltbewegung.

Die – unionsrechtswidrige – Rechtslage in Salzburg und die dadurch den Behörden und Gerichten aufgebürdete Verpflichtung, die Einhaltung des Unionsumweltrechts zu gewährleisten, führe zu Anwendungsunterschieden und Rechtsunsicherheit. „In oberster Instanz obliegt es somit dem Verwaltungsgerichtshof, hier für eine (auch innerhalb der Verwaltungsgerichtsbarkeit) einheitliche Anwendung des Gesetzes und dadurch für Rechtssicherheit zu sorgen“, so ÖKOBÜRO - Allianz der Umweltbewegung.
 

Entscheidungsbesprechung am Umweltrechtsblog

Vogelschutzrichtlinie

EuGH 20.12.2017, C-664/15, Protect  

VwGH zur unionsrechtskonformen Interpretation und dem Anwendungsvorrang

ÖKOBÜRO: Rechtssprechungsdivergenzen zum Beschwerderecht von Umweltorganisationen im Artenschutz