Viel Kritik an EU-Kommission nach Aufnahme von Atomkraft in EU-Taxonomie

Nachdem die Europäische Union am 31. Dezember beschlossen hatte, Erdgas und Kernenergie als potentiell „grüne Energie“ in die Taxonomie aufzunehmen, hat sie im Februar den ergänzenden delegierten Rechtsakt vorgestellt, der die Übergangsnutzung von Gas und Kernkraft mit EU-Kriterien für „nachhaltige Investitionen“ verbindet. Frankreich, das am 1. Jänner die EU-Ratspräsidentschaft übernahm, gilt als eine treibende Kraft für die Aufnahme der Kernenergie in die EU-Taxonomie. Ziel der Taxonomie ist es, ein EU-weites Klassifizierungssystem für die Bewertung ökologischer Nachhaltigkeit von wirtschaftlichen Aktivitäten zu etablieren.

Bei einer gemeinsamen Anhörung des Umwelt- und des Wirtschaftsausschusses am Dienstag, 22. März befragte der Gesetzgeber die Finanzdienstleistungs-Kommissarin Mairead McGuinness zum erweiterten Geltungsbereich der Taxonomie-Verordnung.

Die parlamentarische Mitberichterstatterin für die Taxonomie-Gesetzgebung, Sirpa Pietikäinen von der EVP-Fraktion, fragte McGuinness, ob sie nicht der Meinung sei, dass die EU-Kommission angesichts Russlands Einmarsch in die Ukraine einen „großen historischen Fehler“ begehe. Mehrere Abgeordnete der Fraktion Renew Europe unterstützten jedoch den delegierten Rechtsakt in einem offensichtlichen Schritt der mächtigen französischen Renew-Delegation, sich hinter Präsident Emmanuel Macron zu stellen.

„Sie haben den wissenschaftsbasierten Standard zerstört“, übte Paul Tang von der S&D-Fraktion harsche Kritik an McGuinness. Er sagte, das Timing der Europäischen Kommission sei „spektakulär mies“ gewesen. Die russische Invasion in der Ukraine zeige, dass die EU-Länder zu abhängig von Gas seien, insbesondere von russischem Gas.

Green 10: „Neues Paradigma“

Green 10, eine Gruppe führender, auf EU-Ebene wirkender Umwelt-NGOs, schickte vergangene Woche einen Brief an die Präsidentin der EU-Kommission, Ursula von der Leyen, in dem sie erneut forderte, das Gesetz zurückzuziehen. „Die neue geopolitische Situation kehrt das Paradigma um, sodass nun Gas und Atomkraft für die Energiesicherheit der EU von entscheidender Bedeutung seien: Sie ist zu einem Treiber der europäischen Energieunsicherheit und geopolitischen Schwäche geworden“, heißt es in dem Brief.

Das Europäische Parlament hat – gemeinsam mit dem EU-Rat – die Möglichkeit, die subsidiäre Gesetzgebung während einer vier- bis sechsmonatigen Prüfungsfrist abzulehnen.
 

Green10 - Brief

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