Wissenschaftler*innen fordern Maßnahmen gegen Gebäudeemissionen

25 % der Klimagase in Europa entstehen durch Gebäude. Doch um ihrem Klimaschutzversprechen im Rahmen des Pariser Abkommens gerecht zu werden, muss die Europäische Union sicherstellen, dass alle 250 Millionen bestehenden sowie alle neuen Gebäude in der EU nahezu null Treibhausgasemissionen verursachen.

Dazu fordern in einem neuen Bericht die europäischen nationalen Wissenschafts-Akademien durch ihren Zusammenschluss EASAC (European Academies' Science Advisory Council) weitreichende politische Maßnahmen. „Die Politik konzentriert sich seit langem darauf, energieeffiziente Gebäude zu schaffen, die einen geringeren Heiz- und Klimatisierungsbedarf haben oder erneuerbare Energie vor Ort erzeugen“, sagt William Gillett, Direktor des EASAC-Energieprogramms. „Die Energie, die für den Betrieb von Gebäuden aufgewendet wird, ist jedoch nur ein Teil der Geschichte. Wir müssen den Geltungsrahmen erweitern und uns die Emissionen von Baumaterialien und -methoden ansehen – sowohl für neue Gebäude als auch für die Gebäudesanierung.“

Aktuell werden pro Jahr zwischen 1 und 1,5 % des europäischen Gebäudebestands saniert. „Um die Ziele des Pariser Abkommens zu erreichen, sollte diese Rate zwei- oder sogar dreimal so hoch sein“, betont Gillett. „Aber noch wichtiger ist, dass wir bei der Berechnung der Klimaauswirkungen von Gebäuden die massiven Emissionen der Bauindustrie und der Lieferkette miteinbeziehen müssen. Ein Gebäude zu renovieren, um den Energieverbrauch zu senken, macht wenig Sinn, wenn es keine Regulierung des CO2-Gehalts der Baustoffe und Komponenten gibt, die für die Sanierung verwendet werden, und wenn diese über weite Strecken transportiert werden.“

Vor Bauphase: Demontierung und Recycling berücksichtigen

Der Bericht weist darauf hin, dass der größte Teil der gebauten Umwelt immer noch nach einem linearen „Take-Make-Consume-Dispose“-Ansatz konzipiert ist. Der Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft würde es nicht nur ermöglichen, den Ressourcenverbrauch und den CO2-Fußabdruck zu reduzieren, sondern auch, das Abfallproblem anzugehen.

„Kreislaufwirtschaft hat viele Facetten“, erklärt Prof. Brian Norton, Co-Vorsitzender der EASAC-Arbeitsgruppe, die den Bericht erstellt hat. „Viele Baumaterialien können wiederverwendet, recycelt und zurückgewonnen werden. Zunächst einmal sollten Gebäude und ihre Komponenten so konstruiert werden, dass sie am Ende ihrer Nutzung leicht demontiert werden können.“ Der Bericht argumentiert auch, dass die Gesetzgebung einen Grenzwert für den CO2-Gehalt pro m2 Bodenfläche festlegen muss, der in ein Gebäude eingebracht werden darf, wenn es gebaut oder renoviert wird.

Die energetische Sanierung bestehender Gebäude müsse im Mittelpunkt der EU-Strategie stehen, argumentieren die Wissenschaftler*innen. „Es ist wichtig, die Wiederverwendung bestehender Gebäude in Betracht zu ziehen, anstatt bestehende Gebäude durch neue zu ersetzen“, sagt Norton. „In einer Gebäudehülle steckt eine Menge CO2, vor allem in Beton und Stahl. Mit den heutigen Technologien und digitalisierten Prozessen ist das Renovieren viel einfacher und nachhaltiger geworden. Wir müssen die derzeitige Praxis stoppen, Strukturen abzureißen, um sie von Grund auf neu zu bauen.“

Die Herausforderung ist sehr groß. „Schätzungsweise 75 % der Gebäude, in denen die Europäer leben, haben eine schlechte Energiebilanz. Um sie zu sanieren, wären 146 Millionen Renovierungen in nur 30 Jahren erforderlich. Die derzeitigen Anstrengungen der Mitgliedsstaaten reichen nicht aus“, warnt Norton. „Um Klimaneutralität zu erreichen, müssten wir in der gesamten EU mehr als 90.000 Häuser pro Woche renovieren - an sich schon eine enorme Herausforderung.“


EASAC – European Academies' Science Advisory Council