WWF: EU-Wettbewerbs-Kompass als gefährlicher Irrweg
“Das ist ein fataler Irrweg. Angesichts der sich verschärfenden Klima- und Biodiversitätskrise braucht Europa klare und ambitionierte Leitlinien für Unternehmen. Gerade die Ökologisierung der Wirtschaft bringt neue Märkte und Arbeitsplätze hervor“, sagt WWF-Wirtschaftsexperte Jakob Mayr. “Daher sollte die Europäische Kommission Vorschläge zur Stärkung und wirksameren Umsetzung des Green Deals machen, anstatt ihr eigenes Prestigeprojekt unter dem Deckmantel Bürokratieabbau schrittweise auszuhöhlen”, warnt Mayr. Indirekt würden mit den aktuellen Überlegungen der Kommission auch jene Unternehmen benachteiligt, die schon jetzt massiv in die Ökologisierung und Transparenz ihres Kerngeschäfts investieren. “Mit einem Wettlauf nach unten wird Europa nicht die Zukunft gewinnen und ignoriert damit auch die langfristigen Gefahren für die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft”, kommentiert WWF-Experte Mayr unter Verweis auf den aktuellen Risikobericht des Weltwirtschaftsforums. Demnach zählen Umweltprobleme auf Zehn-Jahres-Sicht zu den größten Risiken, darunter die extremen Folgen der Klimaveränderung, der Biodiversitätsverlust und der Kollaps von Ökosystemen. Laut den aktuellen Vorschlägen würden rund 31.000 Großunternehmen von ihren Berichtspflichten im Bereich der Nachhaltigkeit befreit, weil sie künftig nur mehr als "kleine mittelständische Unternehmen“ einzustufen wären. Bereits jetzt sind 99,8 Prozent der Unternehmen von dieser Berichtspflicht ausgenommen. Zusätzlich sollen willkürlich und ohne fachliche Evidenz 25 Prozent der nachhaltigkeitsbezogenen Berichtspflichten für Unternehmen fallen, für die neuen “Kleinunternehmer” sollen sogar 35 Prozent gestrichen werden.
Position der Umweltschutzorganisation GLOBAL 2000
GLOBAL 2000 kritisiert den Wettbewerbskompass der Europäischen Kommission scharf. Während die letzte Periode 2019-2024 geprägt war durch den European Green Deal, droht nun eine Kehrtwende. "Die Europäische Union scheint eher einen Wertekompass zu benötigen als einen Wettbewerbskompass. Statt Umweltschutz und demokratische Prinzipien über Bord zu werfen, muss die eingeschlagene Richtung zu einer Wirtschaft, die allen nützt und unsere Lebensgrundlagen erhält, beibehalten werden", fordert Anna Leitner, GLOBAL 2000-Expertin für Ressourcen und Lieferketten. Das gezielte Lobbying von Großkonzernen hat unter dem Deckmantel des Bürokratieabbaus mittlerweile die EU-Kommission dazu verleitet, bereits beschlossene Gesetze des Green Deals entweder gänzlich zu entsorgen oder zumindest stark zu verwässern. Als Beispiel dient etwa das Lieferkettengesetz. Lobbyisten wie auch Politiker:innen der ÖVP und der FPÖ inszenieren dieses gerne als Grund für Europas schwächelnde Wirtschaft. "Das Lieferkettengesetz ist das erste Opfer der Konservativen und der Rechten auf den Green Deal. Dabei tritt das Gesetz überhaupt erst 2027 in Kraft", führt Leitner weiter aus. Darüber hinaus sind gar nur an die 100 der rund 600.000 heimischen Firmen vom Lieferkettengesetz erfasst. GLOBAL 2000 Klima- und Energiesprecherin Hannah Keller sieht in der blinden De-Regulierung viele Verlierer - vor allem in der Wirtschaft. "Der Ruf nach Deregulierung zeigt nicht nur, dass Konzerninteressen hier vor den Klimaschutz gestellt werden, sondern zeugt auch von wirtschaftlicher Kurzsichtigkeit. Der kürzlich in Davos präsentierte Global Risks Report nennt Extremwetterereignisse, Biodiversitätsverlust und kollabierende Ökosysteme als einige der größten Gefahren für die Weltwirtschaft. Investitionen in erneuerbare Energien, ein Ausstieg aus fossilen Brennstoffen und ein Fokus auf Emissionsreduktion machen Europas Wirtschaft zukunftsfähig", zählt Keller auf.
GLOBAL 2000 fordert, den eingeschlagenen Weg nicht zu verlassen. Anna Leitner: "Werden diese Gesetze verwässert oder sogar ausgesetzt, bestraft es jene österreichischen Unternehmen, die sich für nachhaltiges Wirtschaften entschlossen und bereits viel investiert haben. Belohnt werden stattdessen jene multinationalen Konzerne, die uns die Ressourcen für eine gesunde Zukunft rauben".
Position des Europäischen Umweltbüros (EEB)
Die Förderung einer wettbewerbsfähigen Dekarbonisierung ohne die Einbeziehung sozialer und ökologischer Ziele untergräbt den eigentlichen Zweck der EU-Institutionen: dem Gemeinwohl zu dienen und es zu verteidigen, erinnert das Europäische Umweltbüro (EEB), Europas größtes Netzwerk von Umwelt-NGOs.
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