Seit der Finanzkrise 2008 erlebt die wachstumskritische Bewegung in Europa wieder einen Aufschwung. Seither sind viele Bücher und Artikel darüber erschienen, zahlreiche Veranstaltungen für Vernetzung und Austausch fanden statt und auch die Wissenschaft beschäftigt sich zunehmend mit der Frage, wie eine Gesellschaft ohne Wachstumsimperativ aussehen kann. Wachstumskritik sowie die Konzeption zukünftiger Postwachstumsökonomien findet sich an den verschiedenen Orten unter unterschiedlichen Namen wieder. Bekannte Schlagworte sind u.a. Décroissance/Degrowth, Postwachstum, Steady-State-Ökonomie, Donut-Ökonomie oder auch Wohlstand ohne Wachstum.
Während in den letzten Jahren die Debatte vornehmlich in Wissenschaft und Zivilgesellschaft geführt wurde, wurde letztes Jahr vermehrt versucht einen Dialog mit der EU-Politik herzustellen. Organisiert von Zivilgesellschaft und Mitgliedern des EU-Parlaments (The Greens/EFA, S&D, alde, GUE/NGL und epp) fand im September 2018 die Post-Growth 2018 Conference im Europäischen Parlament in Brüssel statt.
Im Vorfeld der Konferenz gab es zudem eine Initiative von 238 Sozial- und NaturwissenschaftlerInnen aus allen 28 EU-Mitgliedstaaten. In einem Offenen Brief forderten sie die Europäische Union, ihre Institutionen und Mitgliedstaaten dazu auf, von ihrer wachstumsorientierten Wirtschaftspolitik Abstand zu nehmen. Der offene Brief wurde über 40 Medienkanälen und in 16 Ländern veröffentlicht – im deutschsprachigen Raum u.a. in der Wiener Zeitung. In einer Petition, organisiert vom European Environmental Bureau (EEB), wurden weitere 90.000 Unterschriften gesammelt und dem Vizepräsidenten der Europäischen Kommission Frans Timmermans übergeben.
Die WissenschaftlerInnen und UnterzeichnerInnen der Petition fordern:
- Eine Sonderkommission im EU-Parlament einzurichten, die sich mit den Zukunftsperspektiven für eine Zeit nach dem Wachstum (Post-Growth-Futures) befasst.
- Alternative Indikatoren in den makroökonomischen Rahmen der EU und ihrer Mitgliedstaaten einzubeziehen.
- Den Stabilitäts- und Wachstumspakt in einen Stabilitäts- und Wohlstandspakt umzuwandeln.
- Ein Ministerium für wirtschaftliche Transformation in jedem Mitgliedstaat einzurichten.
Aus gegebenen Anlass hat das EU-Umweltbüro zum Thema Postwachstum|Degrowth ein Factsheet erarbeitet, das HIER heruntergeladen werden kann.