Brüssel erwägt Verschärfungen bei Emissionshandel

Die EU-Kommission plant Verschärfungen des Europäischen Emissionshandelssystems (EU-ETS), um die Emissionen der knapp 12.000 Industrieanlagen und des Energiesektors schneller zu senken, wie die Nachrichtenagentur Bloomberg News vergangene Woche mitteilte.

Eine wichtige Kenngröße stellt der lineare Reduktionsfaktor dar. Dieser legt die Obergrenze für jährlich zu reduzierende Treibhausgasemissionen fest. Bis 2020 lag der lineare Reduktionsfaktor bei 1,74 Prozent pro Jahr, seit diesem Jahr beträgt er bereits 2,2 Prozent pro Jahr. Allerdings fehlt eine konkrete Prozentangabe für einen „erhöhten linearen Reduktionsfaktor“. Darüber hinaus bestätigt das geleakte Dokument Pläne, wonach das ETS ab 2023 auf die Schifffahrt ausgeweitet werden und ein neues, separates ETS für den Straßenverkehr und den Gebäudesektor (Heizen und Kühlen) geschaffen werden soll.

Die EU-Staaten sollen sämtliche Einnahmen für klimarelevante Zwecke verwenden, auch sollen dem Dokument der EU-Kommission zufolge Haushalten mit geringem Einkommen für eine nachhaltige Renovierung unterstützt werden. Bloomberg wies darauf hin, dass sowohl die EU-Mitgliedstaaten als auch das Europäische Parlament die endgültigen Reformen im ordentlichen, bis zu zwei Jahre andauernden Gesetzgebungsverfahren aushandeln müssen.

Das Climate Action Network (CAN) Europe kritisierte, dass die Industrie auch in Zukunft kostenlose Zertifikate erhalten soll, zumal das Verursacherprinzip stattdessen in allen Sektoren vollständig gelten müsse. „Wenn wir die Emissionen senken wollen, müssen wir die kostenlosen Zertifikate abschaffen und einen höheren Preis für die Verschmutzung festsetzen“, forderte Klaus Röhrig, Koordinator für Klima- und Energiepolitik bei CAN Europe.

WWF: ETS-Erlöse sollen Mensch und Klima zugutekommen

Im Rahmen des EU-Emissionshandelssystems nahmen einem neuen Bericht des World Wildlife Fund (WWF) Europa zufolge die EU-Mitgliedstaatenvon zwischen 2013 bis 2019 insgesamt 49 Milliarden Euro ein. Weitere 54 Milliarden Euro seien durch die kostenlose Zuteilung von Emissionszertifikaten „verschenkt“ worden.

Darüber hinaus seien von den 49 Milliarden Euro Einnahmen 13,3 Milliarden Euro nicht für Klimaschutzmaßnahmen ausgegeben wurden. Zudem sei ein Teil der Ausgaben, den die EU-Länder für Klimaschutzmaßnahmen deklarierten, offenbar in kontraproduktive Aktivitäten wie Heizölkessel, gasbetriebene Konvektoren und Subventionen für energieintensive Unternehmen geflossen. So sei „das Klima um mindestens 67 Milliarden Euro möglicher öffentlicher EU-Ausgaben von 2013 bis 2019 betrogen“ worden, kritisiert der WWF.

Die Klimaschutzorganisation Carbon Market Watch (CMW) sieht aufgrund des angekündigten Kohleausstiegs in Europa, der Auswirkungen der Covid-19-Pandemie und des derzeit stattfindenden, raschen Rückgangs der Kohleverstromung die Gefahr gegeben, dass das Überangebot an Verschmutzungsrechten im ETS rasant zunimmt. Demnach empfiehlt CMW im Hinblick auf die Novellierung der ETS-Richtlinie eine einmalige Kürzung der Obergrenze des ETS um 450 Millionen Zertifikate sowie die Erhöhung des linearen Reduktionsfaktors auf 3,1 Prozent ab 2023.

 

Euractiv with Reuters: EU drafts plan to toughen carbon market 

Euractiv: LEAKED: The EU’s carbon market reform proposal 

CAN Europe: Commission eyes strengthening EU carbon market, but leaves industry largely off the hook 

WWF EU: Flawed EU carbon market losing EUR billions for climate action – report 

CMW: How can the EU Emissions Trading System support a union-wide coal phase-out 

Deutscher Naturshcutzring (DNR)

Hintergrund: DNR-Factsheet zum EU-ETS