Ecologic-Institut: EU-Klimaschutzgesetz als „verlässlicher Kompass“

15. Okt 20

Das Europäische Parlament verbessere den Vorschlag der Kommission für ein EU-Klimaschutzgesetz, schreibt Nils Meyer-Ohlendorf vom Ecologic-Institut in seinem Standpunkt im Tagesspiegel. Zudem schließe es Lücken in der Gesetzgebung der EU, welche die Erreichung des Ziels Klimaneutralität bis 2050 behindern würden.

Vergangene Woche hatte das Europäische Parlament mit unerwartet großer Mehrheit seine Position zu einem europäischen Klimaschutzgesetz festgelegt, einschließlich breiter Zustimmung durch die polnische Bürgerplattform, Polens zweitgrößter Partei. „Mit dieser Position verbessert das Parlament den Gesetzesvorschlag der Kommission. Das Parlament zeigt, dass das Europäische Klimaschutzgesetz mehr leisten kann und muss, um die EU auf den Weg zur Klimaneutralität bis 2050 zu bringen“, so Meyer-Ohlendorf.

Bruttoreduktionsziel für 2030, rechtsverbindliche Klimaneutralitätsziele, Emissionsbudgets und ein Europäischer Klimarat würden das Europäische Klimaschutzgesetz zu dem machen, was es sein soll: einem „verlässlichen Kompass für den Weg zu Klimaneutralität bis 2050“, so Nils Meyer-Ohlendorf.

 

Meyer-Ohlendorf nennt fünf Verbesserungen

Die erste Verbesserung: Das 2030 Reduktionsziel von minus 60 Prozent ist deutlich ambitionierter als der Kommissionsvorschlag von minus 55 Prozent. Wichtig ist außerdem, dass das Parlament ein 2030-Bruttoziel vorschlägt. Die Kommission hatte ein Nettoziel vorgeschlagen, sprich Emissionen und CO2-Entnahme dienen gleichermaßen der Zielerreichung. Nach dem Parlament können CO2-Entnahmen für die Erreichung des 2030 Ziels nicht angerechnet werden.
Das ist wichtig. Denn CO2-Entnahmen – sei es durch das natürliche Senken oder durch technische Lösungen – sind im Vergleich zu Reduktionen der inhärent schwächere Klimaschutz.

Die zweite Verbesserung betrifft EU-Emissionsbudgets, sprich eine quantifizierte Festlegung der verbleibenden EU-Restemissionen. Nach dem Willen des Parlaments legt die Kommission dieses Emissionsbudget fest. Das soll bis Ende 2021 geschehen. In diesem Emissionsbudget soll die verbleibende Restemissionsmenge angegeben werden, die durch die EU bis spätestens 2050 emittiert werden könnte, ohne die Einhaltung ihrer Verpflichtungen aus dem Pariser Abkommen zu gefährden.
In den Erwägungsgründen heißt es zudem, dass das Emissionsbudget dem fairen Anteil der EU an den verbleibenden globalen Emissionen entsprechen soll. Nach dem Parlamentsvorschlag soll das EU-Emissionsbudget eine wichtige Größe bei der Festlegung des Reduktionsziels für 2040 und bei der Bestimmung des Reduktionspfads sein.

Die dritte Verbesserung: Das Parlament will ein Ziel für negative Emissionen nach 2050. Das bedeutet, dass ab dem 1. Januar 2051 die EU mehr Treibhausgase der Atmosphäre entzieht als sie emittiert. Dies ist ein wichtiger Baustein einer robusten Klimaarchitektur. Denn alle Szenarien, die den durchschnittlichen globalen Temperaturanstieg unter zwei Grad oder sogar 1,5 Grad halten, unterstellen negative Emissionen in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts. In diesem Zusammenhang sollte das Klimaschutzgesetz im Endergebnis klar regeln, dass CO2 vor allem durch den Schutz und die Wiederherstellung beschädigter Wälder und Moore der Atmosphäre entnommen werden soll.

Die vierte Verbesserung betrifft Institutionen. Das Parlament schlägt einen Europäischen Klimarat vor. Dieser soll unabhängig sein und beraten. Er wird unbefristet eingerichtet. Der Klimarat soll aus höchstens 15 Experten bestehen. Das Parlament schlägt ein starkes Mandat vor. Der Klimarat soll zum Beispiel bewerten, ob die Maßnahmen der EU ausreichen, um innerhalb des EU Emissionsbudget zu bleiben und das Klimaneutralitätsziel zu erreichen. Falls erforderlich, kann der Klimarat Empfehlungen an die Kommission geben, die die Kommission innerhalb von drei Monaten öffentlich beantworten muss.

Die fünfte Verbesserung: Die Kommission hatte im März ein Klimaneutralitätsziel für die EU vorgeschlagen, aber keine Ziele für Mitgliedsstaaten. Dieses kollektive EU Ziel ist zwar rechtlich verbindlich, aber kollektive Verantwortung wird leicht kollektive Verantwortungslosigkeit. Um dieser zu begegnen, schlägt das Parlament vor, dass alle Mitgliedsstaaten verpflichtet sind, bis 2050 klimaneutral zu werden.

„Der Ball liegt nun im Feld des Rates. Die Diskussionen im Rat haben sich bisher am Vorschlag der Kommission orientiert. Aber mit dem nun auf dem Verhandlungstisch liegenden Vorschlag des Parlaments wird die Diskussion breiter“, betont Meyer-Ohlendorf. „Es ist klar, dass ein starkes Europäisches Klimaschutzgesetz eine wichtige Voraussetzung ist, damit die EU innerhalb der nächsten 30 Jahre klimaneutral wird. Wie ein solches aussieht, hat das Parlament letzte Woche gezeigt.“

 

Background - Tagesspiegel