EEB: Maßnahmen gegen Energiearmut in Europa erforderlich

Von einem System, das an klimaschädliche Brennstoffe und Autokratien gebunden sei, müsse sich Europa hin zu einem von „Energiegerechtigkeit“ geprägten Kontinent bewegen. Das fordern die Umwelt- und Klimaexperten Nick Meynen und Diego Francesco Marin vom European Environmental Bureau (EEB) in einem Beitrag für das EEB-Online-Magazin META.

Die Zahl der Menschen, die in Europa von Energiearmut betroffen sind, sei nach jüngsten Schätzungen von 34 Millionen vor der Energiekrise „auf erstaunliche 80 Millionen“ gestiegen, betonen Meynen und Marin. Allerdings: „Viele Entscheidungsträger in Europa zeigen mit dem Finger auf Covid-19 oder den Kreml. Aber ist das nicht zu einfach? Und wirken Preisobergrenzen und Energierechnungssubventionen wirklich der Energiearmut entgegen?“ schreiben die beiden Autoren.

Dabei beziehen sie sich auf die steigende Inflation und wachsende Armut in Europa. Eurostat habe hierbei für die letzten beiden Jahre bis zum Oktober 2022 einen 50-prozentigen Anstieg der Energiekosten in der Europäischen Union errechnet. Zudem habe der Internationale Währungsfonds (IWF) festgestellt, dass „der größte Teil des bisherigen Inflationsschubs von hohen Rohstoffpreisen, hauptsächlich Energie, angetrieben wird“. Aber anders als in den Vorjahren habe der IWF auch die Hälfte der Inflation als „ungeklärt“ ausgewiesen.

In den Vereinigten Staaten von Amerika hätten Untersuchungen gezeigt: Die Hälfte der Inflation in den Jahren 2021 und 2022 sei darauf zurückzuführen, dass Unternehmen deutlich höhere Gewinnmargen erzielten. In den letzten 40 Jahren habe eine solche „Aufrundung“ nur 11 Prozent der Inflation ausgemacht, wie Meynen und Marin schreiben. In einer Umfrage unter tausend Einzelhandelseigentümer:innen und Führungskräften gaben die meisten an, dass die Inflation ihnen die Möglichkeit gegeben habe, die Preise über das hinaus zu erhöhen, was erforderlich war, um höhere Kosten auszugleichen.

Marin und Meynen: Unternehmensprofite verschärfen Energiearmut

Die indische Ökonomin Jayati Ghosh sei zu dem Schluss gekommen, dass „die Triebkraft für Preissteigerungen (…) Unternehmensprofite zusammen mit Finanzspekulationen auf den Rohstoffmärkten sind“. Nach Angaben des IWF erwarten Öl- und Gasunternehmen im Jahr 2022 einen zusätzlichen Gewinn von 2 Billionen US-Dollar im Vergleich zu 2021. Diese seien auf dem besten Weg, einen Rekord von 4 Billionen US-Dollar zu erreichen. „Solche Unternehmensprofite schütten die Taschen der einfachen Leute aus und verschärfen die Energiearmut“, betonen die Autoren.

Der Plan der Europäischen Kommission, eine Überschusssteuer für Energieunternehmen einzuführen, sei ein Schritt in die richtige Richtung. Ziel sei es, Geld von dort, wo es verdient wird, dorthin umzuverteilen, wo es am dringendsten benötigt wird. Allerdings würde nach eigenen (und möglicherweise zu optimistischen) Schätzungen der EU-Kommission die Steuer nur ungefähr 140 Milliarden Euro einbringen. Diese Zahl sei nicht nur im Vergleich zu den wachsenden Gewinnen der Energieunternehmen gering. „Es ist auch genau die Hälfte des Betrags, den die Regierungen in der EU bereits im Zeitraum September 2021 bis August 2022 für alle Maßnahmen zur Bewältigung der Krise um fossile Brennstoffe ausgegeben hatten. Selbst wenn die Überschusssteuer so viel Geld wie vorgesehen zurückerhalten würde, wäre sie damit nur ein sozialer Notbehelf“, geben Marin und Meynen zu denken.

Ohne Veränderungen in größerem Maßstab würden die Europäer:innen immer noch drei belastende Folgen der Energiekrise spüren. „Zuerst sind da die gestiegenen Energierechnungen, später werden höhere Steuern oder geringere Staatsausgaben kommen, um die massiven Haushaltslücken zu schließen, und schließlich wird es die katastrophalen Folgen des fortgesetzten Verbrauchs so vieler fossiler Brennstoffe geben“, prognostizieren die Autoren.

 

EEB/META: SOCIAL AND CLIMATE INJUSTICE IS FUELING EUROPE’S ENERGY CRISIS