EU-Kommission erwägt Atomkraft für „ökologisch nachhaltige“ Wirtschaft

Mit einem Tweet hat EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen angekündigt, „in Kürze“ einen Vorschlag über ökologisch nachhaltige Wirtschaftsaktivitäten vorzulegen, der auch Atomkraft als „stabile Energiequelle“ und Gas „für den Übergang“ beinhalten solle. Dabei geht es um die sogenannte EU-Taxonomie, ein Klassifizierungssystem für nachhaltige Finanzen.

Wenige Tage danach hat der EU-Abgeordneten Sven Giegold (Grüne/EFA, Deutschland) eine Online-Petition gestartet, um Druck auf die Europäische Kommission auszuüben. Giegold kritisierte, dass sich von der Leyen bislang immer gegen Atom und Gas in der Taxonomie ausgesprochen hatte, doch nun offenbar umgeschwenkt sei.

Unterstützung könnte von der Leyen aus zahlreichen EU-Mitgliedsstaaten bekommen. Besonders Frankreich macht sich für die Kernenergie stark. Zudem treten mehrere mittel- und osteuropäische Länder für fossiles Erdgas in der Taxonomie ein. Laut dem Online-Nachrichtenmagazin Euractiv könnte es zu einem entsprechenden Deal im Europäischen Rat kommen.

EU-Staaten sehen Erdgas und Kernenergie unvereinbar mit nachhaltigen Finanzen

Letzte Woche Dienstag hatten auf der Sondersitzung der EU-Energieminister*innen mehrere Mitgliedstaaten die EU-Kommission aufgefordert, die Rolle von Erdgas und Kernenergie in der EU-Taxonomie für nachhaltige Finanzen zu klären, erklärte der Europäische Rat in einer Pressemitteilung. Allerdings ist unklar, wann genau die EU-Kommission die Kriterien veröffentlichen wird.

In Bezug auf fossile Energieträger berieten zunächst die Staats- und Regierungschef*innen der EU-27 über die Preissteigerungen für fossile Energien und Strom, dann die EU-Energieminister*innen. Der Europäische Rat forderte die EU-Kommission auf, die Funktionsweise der Gas- und Strommärkte sowie des Emissionshandelssystems zu untersuchen. Auf dieser Basis soll die EU-Kommission bewerten, „ob bestimmte Handelsverhaltensweisen weitere Regulierungsmaßnahmen erfordern“.

Jernej Vrtovec, slowenischer Minister für Infrastruktur, verteidigte die Beschlüsse des Green Deal, nachdem sich Polen und Rumänien für die weitere Nutzung fossiler Energieträger ausgesprochen hatten. „Der grüne Übergang ist nicht Teil des Problems. Die grüne Wende ist Teil der Lösung. Wir wollen zwei wichtige Ziele erreichen – Klimaneutralität und ein energetisch unabhängiges Europa. Dafür müssen wir in erneuerbare Energiequellen und neue Technologien investieren.“ Voraussichtlich Anfang Dezember, etwa drei Wochen nach dem Ende der UN-Klimakonferenz COP26, werden die Energieminister*innen der EU wieder zusammentreffen.

Indes betonten 300 Umwelt- und Menschenrechtsorganisationen aus aller Welt vor der UN-Klimakonferenz COP26 in Glasgow in einer gemeinsamen Erklärung, dass Atomkraft im Kampf gegen die Klimakrise eine Scheinlösung sei und eine umwelt- und klimafreundliche Energiewende blockiere. Demgegenüber müsse der Wandel zu 100 Prozent erneuerbaren Energien global vorangetrieben werden. Darüber hinaus zeigt die Erklärung auf, wie Atomenergie soziale und ökologische Krisen verschärft.

Tweet von Ursula von der Leyen vom 22.10.2021

Ausgestrahlt: Über 300 Organisationen fordern vor der Klimakonferenz Aufgabe der Scheinlösung Atomkraft

Transport, Telecommunications and Energy Council (Energy), 26. Oktober 2021 

Schlussfolgerungen des Europäischen Rates zu COVID-19, Energie, Handel und Außenbeziehungen, 21. Oktober 2021 

Euractiv: EU avoiding rash decisionson energy price rises

COP26 official website

Deutscher Naturschutzring: Atomkraft und Erdgas - Energiepreise und der Green Deal